0447 - Der Drachen-Meister
darum gekümmert haben, den Grundstock für sein Wirtschaftsimperium zu legen, aber seit alles praktisch von selbst lief, interessierte es ihn kaum noch. Zamorra hatte den dumpfen Verdacht, daß dieser Grundstein nicht in diesem Jahrhundert gelegt worden war, sondern weit früher. Tendyke war ein Mann, der sieben Leben hatte wie eine Katze - oder mehr. Ein paarmal hatte er tödliche Verletzungen zugefügt bekommen - und war wenig später völlig unversehrt, frisch und munter wieder aufgetaucht. Und in den Jahren, die Zamorra ihn nun kannte, hatte er sich nicht verändert; auf einem zwanzig Jahre alten Foto sah er aus wie heute… er mußte ungeheuer langlebig sein.
So wie Zamorra und seine Lebensgefährtin Nicole Duval, die sich in all den Jahren auch nicht verändert hatten. Ihr Alterungsprozeß schien gestoppt zu sein. Und in Merlins Saal des Wissens konnten Zamorra und Nicole sich bewegen. Zamorra wäre jede Wette eingegangen, daß es auch Tendyke möglich war.
Den Saal des Wissens betreten und sich darin bewegen, ohne zu sterben, konnte nur jemand, der zwei Bedingungen erfüllte; erstens mußte er von Merlin die Erlaubnis dazu besitzen -und zweitens zum kleinen Kreis der biologisch Unsterblichen gehören. Wie Merlin selbst, oder die beiden Silbermond-Druiden Gryf ap Llandrysgryf und Teri Rheken. Oder wie Merlins dunkler Bruder Sid Amos, der einst als Asmodis Fürst der Finsternis gewesen war.
Tendyke erhob sich und trat ans Fenster, um hinauszusehen. Unter ihm war der Innenhof von Château Montagne, dieser Mischung aus verspieltem Loire-Schloß und Burgfestung, die in ihrer Architektur von einem Genie bereits im 11. Jahrhundert errichtet worden war. Damals war Leonardo deMontagne hier Herrscher gewesen - er lebte als Teufelsanbeter, zog mit Gottfried von Bouillon im 1. Kreuzzug als Eroberer in Jerusalem ein, fuhr später zur Hölle und schmorte dort im Ewigen Feuer, bis Asmodis ihn förmlich hinauswarf und ihm ein zweites Leben gewährte, um zu verhindern, daß Leonardos Seele zum Dämon wurde, weil das Höllenfeuer ihr nichts anhaben konnte. Der Hinauswurf hatte nichts mehr geholfen; Leonardo war dennoch zum Dämon geworden und saß jetzt an Asmodis’ Stelle als Fürst der Finsternis und Herr der Schwarzen Familie auf dem Knochenthron der Hölle.
Und im Château Montagne wohnte Leonardos sehr später Nachfahre Zamorra.
Momentan wohnten noch einige Personen mehr hier. Robert Tendyke zum Beispiel, und die Zwillinge Monica und Uschi Peters.
Und Julian Peters, Roberts und Uschis Sohn.
Sie hatten monatelang für tot gegolten. Nach Julians Geburt hatte der Fürst der Finsternis eine Bombe gezündet. Die Opfer hatten gerade noch rechtzeitig unerkannt flüchten können und sich seither in menschenleerer Wildnis versteckt. Nicht einmal ihre besten Freunde hatten gewußt, daß die Totgeglaubten in Wirklichkeit noch lebten, und erst vor ein paar Tagen hatte Zamorra sie endlich aufspüren können. Dabei hatte er nicht einmal gezielt nach ihnen gesucht; er hatte sie ja für tot gehalten.
Es war nötig gewesen.
Hinter Julian waren die Dämonen her. In ihm vermischte sich das Erbe seiner telepathisch begabten Mutter -und das Robert Tendykes mit seiner Magie. Niemand konnte genau sagen, was aus Julian einmal wirklich werden würde; fest stand, daß die Dämonen ihn fürchteten. Julian Peters war nur zum Teil menschlich. Das Magische in ihm zeigte sich schon allein darin, daß seine Entwicklung unheimlich schnell verlaufen war. Für ihn vergingen die Jahre und Monate im Zeitraffer-Tempo. Er war bereits jetzt körperlich ein Siebzehnjähriger - und geistig noch weiter fortgeschritten. Mittlerweile bremste diese Entwicklung sich bereits ab, würde sich normalisieren -und dann war er soweit, daß er sich aus eigener Kraft gegen Angriffe wehren konnte. Bis dahin aber mußte er versteckt bleiben. Die Dämonen glaubten, er sei tot, und dabei sollte es so lange wie möglich bleiben.
Robert Tendyke hatte alles getan, um seinen Sohn zu schützen. Aber das Versteck war dennoch entdeckt worden, und sie waren aus den Sumpfwällen Louisianas in die Schneewüste Alaskas übergesiedelt, wo sie wenig später Zamorra aufgespürt hatte. Da war es Tendyke klar geworden, daß Julian begonnen hatte, eine Spur zu erzeugen, die gefunden werden mußte. Er war nirgendwo mehr wirklich sicher vor Entdeckung.
Sie mußten damit rechnen, daß die Herrscher der Schwefelklüfte mittlerweile wußten, daß Julian das damalige Attentat des Fürsten
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