1813 - Königin der Knochen
Es hörte sich auch lauter an, je näher der Ankömmling der Tür kam. Smitty schüttelte den Kopf. Was da passierte, konnte er nicht nachvollziehen. So etwas war ihm noch nie passiert. Das war keiner, der zu den Wachleuten gehörte, da war er sich sicher.
Smitty ging durch die geöffnete Eingangstür nach draußen und kam nicht mehr dazu, weiter darüber nachzudenken, denn vor der flachen Treppe zeigte sich eine Gestalt.
Es war keiner vom Wachdienst.
Wieder hörte Smitty das Scheppern.
Sein Gesicht nahm einen erstaunten Ausdruck an. Er riss die Augen weit auf, denn was er da sah, konnte er nicht glauben.
Vor ihm stand kein normaler in die Zeit passender Mensch, denn er schaute auf einen Ritter …
***
Das war zu viel für Smitty. Er schüttelte den Kopf. Hinter seiner Stirn rasten die Gedanken.
Ein Spuk?
Nein, es war ein Ritter. Einer, der eine echte Rüstung trug, denn die Geräusche, die dabei entstanden, hatte er ja gehört. Auf dem Kopf des Ritters saß ein Helm, dessen Visier hochgeklappt war. Trotzdem war das Gesicht kaum zu erkennen.
Und noch etwas kam hinzu.
Der Ritter war bewaffnet.
Sein Schwert hatte er gezogen. Er hielt es mit der rechten Hand fest. Er trug zudem einen Brustpanzer und war nicht in eine ganze Rüstung eingepackt, das hatte Smitty nur beim ersten Hinschauen geglaubt.
Über dem Brustpanzer trug der Ankömmling einen dunklen Umhang mit einem roten Tatzenkreuz als Aufdruck.
Smitty war nicht in der Lage, etwas zu sagen. Er schaute den anderen nur starr an. Er suchte nach Worten, fand aber keine richtigen und wich zurück. Es war ein Reflex, der ihn so handeln ließ.
Der Ritter hob sein Schwert an. Das spitze Ende zeigte auf Smittys Brust. Als hätte diese Bewegung eine Sperre bei ihm gelöst, war er wieder in der Lage, ein paar Worte zu sprechen.
»Sie können hier nicht rein …«
Der Ritter schüttelte den Kopf.
»Wir schließen.«
Der Ritter ging vor. Dass jemand vor ihm stand, kümmerte ihn offenbar nicht, und plötzlich war das Schwert nahe bei Smitty.
»Nein …«, flüsterte Smitty noch, bevor ein schneidender Schmerz seinen ganzen Oberkörper erfasst hatte. Dass er nach hinten taumelte, merkte er nicht. Er wollte noch etwas sagen. Das schaffte er nicht, denn sein Mund war plötzlich voller Blut.
Dann kippte er nach vorn, taumelte an dem Ritter vorbei und landete hart auf den Stufen der flachen Treppe, doch das merkte er schon nicht mehr, denn er war bereits tot.
Der Ritter drehte sich zu der Leiche um und schaute auf seine blutige Klinge. Er war zufrieden. Aber er blieb noch an seinem Platz stehen und schaute über den auf den flachen Stufen liegenden Toten hinweg. Dann hob er die Hand.
Der Platz vor dem Museum war leer gewesen.
Das änderte sich, als der Ritter den linken Arm anhob und winkte. Das Zeichen wurde gesehen. Zwei Gestalten kamen über den Platz. Auch sie trugen die Rüstungen, und sie gingen auf den Eingang zu, wo ihr Freund bereits auf sie wartete.
Sie trafen sich.
Sie nickten sich zu.
Es war das Zeichen zum Abmarsch, und so betraten sie zu dritt das Museum …
***
Der Reporter Bill Conolly gehörte zu den Menschen, die gern ein Museum besuchten, wenn es sich lohnte und Ausstellungen gezeigt wurden, die ihn interessierten.
Das war hier der Fall.
In dieser Ausstellung ging es um Objekte des hohen Mittelalters und vor allen Dingen um Waffen, Rüstungen und Schmuck.
Bill interessierten die Waffen.
Vor allen Dingen eine.
Es war ein Schwert, und es gehörte einmal einer Frau mit dem Namen Isabella.
Sie hatte es besessen und damit blutige Schneisen in die Reihen ihrer Feinde geschlagen, die zu den Muselmanen gehörten, während Isabella auf der anderen Seite stand und eine Kreuzritterin war.
Offiziell gab es sie nicht. Ritterinnen waren nicht vorgesehen. Aber Isabella war eine besondere Person gewesen. Sie war stark, sie war kampferprobt, und sie hatte schon manchen Mann zur Hölle geschickt.
Viele hatten versucht, sie zu besiegen, und alle hatten diesen Versuch mit dem Leben bezahlt. So hatte sich Isabella großen Respekt verschafft. Auf den Schlachtfeldern hatte sie gewütet und zahlreiche Tote hinterlassen. Ihr war letztendlich nichts passiert. Das hatte nicht für ihre Freunde gegolten, deren Knochen in der heißen Sonne bleichten. Deshalb hatte man Isabella auch den Namen Königin der Knochen gegeben. Aber auch sie war nicht unsterblich. Sie war irgendwann umgekommen, ob normal gestorben oder durch eine Waffe, das konnte niemand
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