045 - Das Kind des mordenden Götzen
hatte eine schmuddelige Schürze um seinen dicken Bauch gebunden. Erschrocken fuhr er herum.
»Dispense Vuestra merced«, sagte er schnell. »Entschuldigen Sie bitte. Ich habe Sie nicht kommen gehört.«
»Macht doch nichts«, antwortete Patrick Morgan. »Was gibt es denn draußen so Wichtiges zu sehen? Was soll dieser Menschenauflauf?«
Sofort verschloß sich das Gesicht des Mexikaners. Er betrachtete die Fremden mißtrauisch.
»Eine Leichenfeier«, sagte er dann zögernd. »Nichts Besonderes.«
»Muß dann wohl ein sehr bekannter Mann gewesen sein, der Verblichene«, fiel Barry Queens ein. »Bei so vielen Trauergästen.«
Der Wirt ging nicht darauf ein. »Haben Sie sich verirrt?« fragte er dagegen. »Fremde sind selten in Viricota.«
»Nein«, lachte Morgan. »Wir sind schon, wo wir hin wollen. Wir wollten mal weg von den Touristenpfaden und auf eigene Faust etwas unternehmen. Können Sie uns ein Zimmer, sagen wir mal, für eine Woche geben?«
»Alles belegt«, brummte der Wirt. »Sie müssen weiterfahren.«
»Das darf doch nicht wahr sein«, sagte Barry Queens. »Ich werde Ihre Bruchbude in die Einzelteile zerlegen, wenn Sie uns angelogen haben.« Drohend ging er auf den Mexikaner zu. Der stand zwar gut im Futter, aber er war nicht groß. Der hünenhafte Ire überragte ihn um zwei Kopflängen. Der Herbergsvater wurde noch kleiner.
»Ich habe zwar noch ein Doppelzimmer frei«, stammelte er gepreßt, »aber das wird den Herren nicht gefallen.«
»Lassen Sie das unsere Sorge sein«, meinte Queens. »Wir sind nicht wählerisch. Wenn weniger als fünfzig Wanzen an den Wänden herumkrabbeln, nehmen wir es.«
»Zimmer vier«, sagte daraufhin der Wirt.
Barry Queens ließ seine großen Hände wieder sinken.
»Und jetzt erzählen Sie uns, wer hier das Zeitliche gesegnet hat«, sagte der Ire. »Wir sind neugierig. War es der Alkalde?«
»Nein. Nicht der Bürgermeister. Es ist ein Bauer aus Perazza. Ungefähr zwei Stunden von hier.«
»Und warum beerdigt man ihn nicht in Perazza?«
Der Wirt schaute zu Boden.
»Er wollte es so.«
»Das kommt mir aber reichlich seltsam vor«, meinte Barry Queens und hob seine Hände wieder, ballte sie sinnend zur Faust. »Auf dem Marktplatz ist doch sicher nur die Trauerfeier. Warum findet die nicht in der Kirche statt? Ihr habt doch einen Priester hier?«
»Der Tote wollte keine kirchliche Beerdigung«, sagte der Wirt, und man brauchte kein Menschenkenner zu sein, um zu sehen, daß er log. Und daß er nicht freiwillig log.
»Verbrennt man ihn?« fragte Patrick Morgan auf gut Glück. Der Herbergswirt zuckte zusammen.
»Man verbrennt ihn«, gab er schließlich nach einer kurzen Pause zu.
Patrick Morgan roch die frische Spur. Mit dem Gespür eines Reporters stellte er seine nächste Frage.
»Aus der Leiche des Indios war nicht zufällig das Herz herausgeschnitten?«
Wie von einer Tarantel gebissen, fuhr der Mexikaner hoch. Sein Mund stand weit offen. Er wich mit blutleerem Gesicht zur Wand seiner Bodega zurück.
»Woher wissen Sie ...?«
Brachte er die beiden Fremden mit dem mysteriösen Verbrechen in Zusammenhang? Glaubte er, daß sie mit dieser Sache etwas zu tun hätten? Daß sie mehr darüber wußten, als es den Anschein hatte? Die Furcht kroch hoch in Miguel Calozza, dem Wirt der schmierigen Herberge.
Patrick Morgan sprach betont beiläufig weiter.
»Sie müssen sich nicht gleich so aufregen wegen meiner Frage. Ich habe heute mittag in Oaxaca davon gehört, daß es hier einige Todesfälle gegeben hat, bei denen den Leichen die Herzen herausgeschnitten wurden. Ist das ein Brauch bei den Indios, oder gehörte der Tote, der da draußen verbrannt wird, irgendeiner Sekte an?«
Miguel Calozza beruhigte sich wieder. Sein Atem ging nicht mehr so schnell. Diese Frage hätte jeder harmlose Tourist auch stellen können.
»Ich kenne mich da nicht so aus«, sagte er. »Aber so ähnlich wird es wohl sein. Vermutlich gehörte der Verstorbene einer Sekte an.«
»Und das Herz wurde ihm auch herausgeschnitten?« bohrte Morgan weiter.
»Ich habe davon gehört«, sagte der Wirt unsicher. »Aber ich kann Ihnen nichts Genaues darüber sagen. Sie müßten schon die Indios fragen. Vielleicht wissen die mehr.«
Damit glaubte Miguel Calozza, sich aus der Affäre gezogen zu haben. Er lebte seit fünfzehn Jahren in diesem Nest mit Indios zusammen. Ihr Aberglaube hatte auch ihn angesteckt. Calozza wollte es sich keinesfalls mit den alten Göttern verderben. Er würde den Fremden nichts
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