046 - Drakula lebt
Blutmangel hätte ich nicht überlebt. Sie hatten wohl eine Transfusion gemacht.
„Sie haben mich mit synthetischem Blut vollgepumpt“, erklärte ich, „wie die kleine Rothenberg und Alby und die anderen. Mir ist langsam klar, wie Alby das mit dem Zuchtvieh gemeint hat.“
„Wovon redest du?“
„Das erkläre ich dir später. Laß uns erst überlegen, wie wir am besten hier verschwinden.“
Ich dachte an Erik. Er hatte einen Beweis gewollt. Inspektor Hartwig sicher auch.
Wenn wir nur einen Beweis mitbringen könnten! Das war mein verflixter Leichtsinn. Ich lag noch halb im Grab und konnte kaum krabbeln. Aber Freddie war hier. Er hatte, was mir fehlte: Kraft. Was sollte uns viel geschehen? Freddie konnte sich rechtzeitig aus dem Staub machen, wenn sie die verschlossene Tür entdeckten und sie gewaltsam zu öffnen versuchten. Gemeinsam aber schafften wir es sicher nur während des Tages – wenn diese Vampirbrut schlief und sich irgendwo verkrochen hatte.
Wir mußten auf den Tag warten. Auf den Sonnenaufgang.
Und wenn es soweit war, würde sich auch Gelegenheit ergeben, noch ein wenig Umschau zu halten in diesen unerfreulichen Räumen und irgendeinen Beweis für Inspektor Hartwig mitzunehmen.
Vielleicht konnten wir auch Erik noch helfen – obwohl mir das unwahrscheinlich schien. Ich vermutete, daß sie mit ihm das gleiche gemacht hatten, wie mit allen anderen Patienten hier – ihm das Blut abgezapft und synthetisches eingepumpt und mit Hypnose die Erinnerung genommen. Wie Sonja Rothenberg würde er dann bei zunehmendem Mond diese Trancezustände bekommen und auf den Befehl warten, der ihn wieder in die Klinik rief, wo sie ihm neuerlich Blut abzapften. Zuchtvieh!
Etwas allerdings erschien mir doch seltsam. Warum konnte ich mich erinnern? Wenigstens an das, was vor meinem Auftauchen in Lukards Klinik geschehen war. An meine Absichten, diesem Vampirspuk auf den Grund zu gehen!
Obwohl ich eine Gefahr für sie darstellte, weil ich an ihre Existenz als Vampire glaubte, hatten sie meine Erinnerungen nicht gelöscht. Das konnte nur bedeuten, daß sie noch manches mit mir vorhatten. Kein sehr angenehmer Gedanke.
„Wie spät ist es?“ fragte ich.
Freddie bemühte sich, im spärlichen Licht vom Fenster her, auf seiner Armbanduhr die Zeit zu erkennen.
„Kann es nicht genau feststellen“, murmelte er. „Aber es müßte so gegen vier sein.“
„Nicht mehr lange bis zum Sonnenaufgang. Eine Stunde höchstens. Wir warten.“
„Was?“ rief er entsetzt. „Fuchs, deine Pläne in Ehren, aber sie sind ein bißchen verrückt, sonst wärst du jetzt gar nicht hier in der Klemme. Ich hab mir zwar geschworen, dich hier rauszuholen, aber ich werde keine Sekunde länger als unbedingt notwendig in dieser Teufelsklinik verbringen. Außerdem habe ich nicht vor, mich von den Polypen da draußen am hellichten Tag wegen Einbruchs in die Zange nehmen zu lassen.“
Ich mußte grinsen. „Mir ist nicht ganz klar, was du mehr fürchtest: die Blutsauger hier drin, oder die Polizei da draußen.“
„Ach, halt die Klappe!“ meinte er ungehalten. „Spar dir die Luft, du wirst sie noch brauchen. Ich habe keine Lust, dich auch noch hinauszutragen, während du Klugscheißer mir mit weisen Ratschlägen den Magen umdrehst.“
Ich schwieg ein wenig verärgert.
Er spürte meine Verstimmung. „Na, nimm’s nicht tragisch“, meinte er. „Dieser Hartwig ist imstande und verknackt mich wegen Patientendiebstahl, wenn ich dich hier raustrage. Daher werden wir heimlich, still und leise …“
Ich mußte mir das Lachen verbeißen. „Hör zu“, sagte ich rasch. „Du bist mein Angestellter, nicht wahr?“
„Nicht mehr lang, wenn wir hier nicht bald verschwinden“, erklärte er.
„Immerhin bist du es noch. Das hat zweierlei zur Folge. Erstens befolgst du meine Weisungen …“
„Ich bezweifle deine Zurechnungsfähigkeit …“
„Und zweitens“, fuhr ich ungerührt fort, „steht die Detektei Fuchs für ihre Angestellten gerade. Außerdem wird Hartwig mehr als zufrieden sein, wenn wir ihm ein paar Beweise mitbringen die er braucht, um dieses Nest auszuheben.“
„Beweise?“ unterbrach er mich ungläubig. „Du willst hier Beweise suchen, wo du kaum krabbeln …“
„Nicht ich, sondern du“, fiel ich ihm erneut in die Rede. „Oder du bist entlassen!“
Ich sah sein Gesicht nicht in der Finsternis, aber ich ahnte, daß er mich entgeistert ansah.
„Nun steig du nicht gleich die Leiter hoch“, sagte ich
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