046 - Drakula lebt
aber ich bin nicht sicher.“
Er schlich zur Tür und versuchte durch das Schlüsselloch zu blicken. „Sieht so aus, als ob sie den Schlüssel abgezogen hätte.“
Ich stieß einen Fluch aus.
„Da kann man nichts machen“, fuhr er trocken fort. „Ich werde sie wecken müssen.“
„Dann können wir sie ebenso gut in dieses Zimmer locken und zusammen fertigmachen. Das gibt uns einen starken Verbündeten, den du jetzt noch nicht hast.“
„Du meinst die Sonne?“
Ich nickte. Ich deutete auf den Himmel, der schon merklich grau wurde. Die Morgendämmerung kroch den östlichen Himmel hoch. Es lohnte sich, auf den Augenblick zu warten, da die Sonne über den Horizont stieg.
„Und wie stellst du dir die Sache vor?“ fragte er.
„Einfach“, erklärte ich. „Du bleibst hinter der Tür. Ich schlage Lärm. Das wird sie herbeilocken. Sobald sie das Zimmer betritt, schließt du die Tür hinter ihr. Es wäre ja immerhin möglich, daß sie nicht allein kommt. Und ich stoße die Läden auf. Was dann geschieht …“ Ich zögerte. „Es liegt nicht in unserer Hand.“
„Das will ich nicht unbedingt sagen“, meinte Freddie entschlossen.
„Wir dürfen sie nicht unterschätzen“, sagte ich warnend. „Sie haben physische Kräfte, die über das menschliche Maß hinausgehen. Hast du vergessen, wie hilflos du am Boden lagst, als unser nächtlicher Freund uns in die Quere kam?“
„Das war ein Kerl“, widersprach er. „Ich hatte zwar nie handgreifliche Auseinandersetzungen mit Frauen, aber ich denke doch, daß das Dämchen zu schaffen sein wird.“
„Ich bin nicht sicher, ob diese geschlechtlichen Unterschiede bei ihnen noch etwas bedeuten. Sie sind keine Menschen mehr, Freddie. Ich weiß nicht, was sie sind, aber jedenfalls keine Menschen. Sprechende, denkende Raubtiere vielleicht …“ Ich zuckte mit den Schultern. Nachdenklich fuhr ich fort: „Und sie haben noch andere Kräfte. Denke an die Verwandlung, den hypnotischen Blick. Deine Kugeln haben sie nicht verletzt, erinnerst du dich?“
„Nur zu gut, Fuchs. Also warten wir auf die Sonne. Und wenn sie nicht scheint?“ stieß er plötzlich hervor.
„Es macht keinen Unterschied“, erklärte ich. „Es genügt, daß sie am Himmel ist. Ihr Licht ist es, das sie vielleicht lähmt oder kraftlos macht, ich weiß es nicht.“
Mir hingegen schien der erwachende Tag neue Kräfte zu geben. Vielleicht war es auch nur die Erwartung, die Neugier?
„Uns bleibt noch ein wenig Zeit“, sagte er. „Was weißt du alles über Vampire?“
„Nicht viel“, gestand ich. „Ich habe ein paar Bibliotheken und Büchereien abgegrast und einen Stapel Bücher in meinem Büro liegen. Eins oder zwei davon habe ich oberflächlich durchgeblättert. Ich wollte, ich hätte mir mehr Zeit genommen. Andererseits hat es wahrscheinlich nicht viel Sinn, in diesen alten Legenden herumzustöbern. Damit haben Lukard und seine Leute vermutlich wenig gemeinsam. Ich könnte mir zumindest nicht vorstellen, daß sie vor einem Kruzifix Reißaus nehmen würden, oder einer Hostie, oder vor Knoblauchblüten. Das ist alles wohl zu sehr dem einfachen religiösen Denken der Menschen früherer Jahrhunderte zuzuschreiben.“
„Immerhin“, wandte er ein, „sind da schon ein paar Gemeinsamkeiten: sie saugen Blut, sie tummeln sich nur nachts, sie verwandeln sich in Fledermäuse. Das kommt mir alles nicht sehr modern vor. Vielleicht helfen doch ein paar der alten Mittel, um sie umzubringen. Welche sind das?“
„Eines wirkt sicher“, erklärte ich. „Feuer. Feuer frißt so ziemlich alles, wenn wir von moderneren Stoffen absehen.“
„Das heißt, wir könnten den ganzen Laden hier anzünden, und die Sache wäre erledigt?“ unterbrach er mich hoffnungsvoll.
Ich nickte. „Ja, wenn die Feuerwehr nicht zu früh kommt, das Feuer auch die sicher vorhandenen Kellergewölbe erreicht, und sie nicht noch einen geheimen unterirdischen Fluchtweg haben für den Notfall …“
Entmutigt meinte er: „Oh.“
„Das letztere müßte sich ja feststellen lassen. Daß der Keller auch brennt, läßt sich sicher einrichten. Möglicherweise sollten wir diese Idee im Auge behalten für einen späteren Zeitpunkt.“
Wenn sie uns soviel Zeit lassen, fügte ich in Gedanken hinzu.
„Feuer scheidet also vorerst aus. Was haben wir noch?“ meinte er.
„Sonnenlicht aller Wahrscheinlichkeit nach. Und danach wird die Sache schon erstaunlich unwissenschaftlich. Früher trieb man Eichen- oder Eschenpfähle in ihre
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