0461 - Lupina gegen Mandragoro
Sträucher besaßen kein einziges Blatt mehr. Sie breiteten sich wie totes Gestrüpp aus.
Ein Bild des Schreckens, an das ich mich nie gewöhnen würde, auch wenn ich mich tagelang in dieser Gegend aufhielt.
Wir fanden, nicht weit voneinander entfernt, Schutz hinter zwei kahlen Büschen und blieben dort hocken. Der Wind fuhr über den Hügel, bewegte die toten Arme und brachte manchmal einen widerlichen Geruch mit. Er roch irgendwie säuerlich und wirkte ätzend. Meiner Ansicht nach drang er aus dem zerstörten Wald hoch. Dort verfaulte immer mehr von dem, was der tödliche Regen bereits zerstört hatte.
Die Zeit verrann. Wir warteten minutenlang, aber nichts passierte. Nicht einmal das Heulen hörten wir, und ein Werwolf ließ sich erst recht nicht blicken.
Aber verdammt noch mal, wir hatten uns schließlich nicht getäuscht. Da war etwas gewesen. Dieses Heulen konnte man sich nicht einfach einbilden.
Auch die Sonne verschwand. Erste Schatten legten sich über das zerstörte Gebiet und machten es noch düsterer. Nachdem die Sonne gesunken war, wurde es rasch kalt.
Als ich das leise Knacken hörte, schreckte ich auf. Es war Suko, der zu mir kam. »Ich konnte nicht länger hocken und warten, John. Irgendwie komme ich mir auf den Arm genommen vor. Du auch?«
»Noch nicht.«
»Weißt du denn, auf wen du wartest?«
Auch ich erhob mich. »Auf einen Werwolf.«
»Der wird kaum noch kommen.«
Ich hob die Schultern. »Wer weiß.«
Wir beobachteten, wie sich der Dunst in den Tälern ausbreitete. Die langen Schleier hüllten auch die abgestorbenen Bäume ein.
Suko, der schärfere Augen besaß als ich, ging plötzlich einen Schritt zur Seite.
»Was ist los?« fragte ich.
»Da hat sich etwas bewegt!«
»Im Wald?«
»Ja. Und schon auf dem Weg zu uns hoch. John, möglicherweise bekommen wir Besuch. Du kannst es dir ja aussuchen, ob Monster oder Werwolf-Bestie.«
»Nach beiden habe ich kein Verlangen.«
»Kann ich mir vorstellen.«
Wir warteten gespannt ab, ob das Wesen sich uns tatsächlich zeigen würde. Ich sah jetzt ebenfalls, daß sich in dem Wald einiges bewegte. Wir hörten auch die entsprechenden Geräusche, die entstanden, als Zweige mit harten, knackenden Geräuschen abbrachen. Da sich die Laute verstärkten, mußten wir davon ausgehen, daß sich die Gestalt diesen Hügel als Ziel ausgesucht hatte.
Wir zogen uns wieder zurück und nahmen Deckung hinter den toten Sträuchern.
Die Spannung stieg. Ich lockerte meine Beretta in der Halfter. Wenn es tatsächlich eines dieser kleinen Monster war, dann mußten wir mit einem Angriff rechnen. Das hatte man uns in dem Wald bereits vorexerziert.
Fast war es soweit.
Ich richtete mich halb auf, blieb sprungbereit stehen und spürte auch die Trockenheit in meinem Hals. Über dem braunen Schlamm zeichnete sich jetzt eine zweibeinige Gestalt ab.
Kein Monster, ein Mensch!
Suko und ich verließen zur gleichen Zeit unsere Deckungen, starrten den Ankömmling an und schüttelten die Köpfe.
»Das darf doch nicht wahr sein«, flüsterte mein Partner. »Verdammt, John, ich glaube, ich träume.«
»Nein, du träumst nicht.«
Die Frau, die vor uns stand und uns anschaute, verzog die Lippen zu einem Lächeln.
»Hallo«, sagte sie.
»Hallo, Morgana Layton«, erwiderte ich flüsternd…
***
Ich hatte schon einige Überraschungen erlebt, diese aber gehörte zu den außergewöhnlichsten. Daß wir Morgana Layton hier begegnen würden, hätte ich nie gedacht, aber ich wußte jetzt zumindest, wer das Heulen ausgestoßen hatte.
Sie war eine Mensch-Wölfin!
Ein Zwitter und vom Schicksal verflucht, denn durch ihre Adern strömte, wenn auch verdünnt das Blut der alten Rasse, eben der Wölfe. Zuerst war sie uns im Schwarzwald begegnet, als wir die Killer-Hunde jagten. Da hatte sie sich praktisch als Mörderin herausgestellt, und ich hätte sie eigentlich töten müssen. Doch ich hatte davon Abstand genommen, und so war es auch zu weiteren Begegnungen gekommen. Die letzte auf den Orkneyinseln, wo wir gegen die brutalen Flammenwölfe gekämpft hatten. Da hatte uns Morgana praktisch den Weg aus der Klemme gezeigt, so daß wir ihr schon dankbar sein mußten. Doch ihr oberster Herr, Fenris, der Götterwolf, hatte grausam und wütend reagiert und sie vor unseren Augen entführt. Er hatte sie in sein Reich hingezogen, ohne daß wir etwas dagegen hätten unternehmen können.
Und nun sahen wir sie wieder.
Ich wußte zwar nicht viel über den Götterwolf, aber ich konnte mir
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