0463 - In den Fängen eines Teufels
ungewöhnlicher Geruch begleiteten mich auf meinem Weg. Das Licht tanzte unter einem unebenen Belag. Die Steine verschwanden sehr bald, dafür entdeckte ich mehrere kleine Mulden im Boden, wo sich im Laufe der Zeit das Schwitzwasser gesammelt hatte.
Hin und wieder leuchtete ich auch gegen die Decke. Bei alten Stollen, auch wenn sie schon lange gehalten hatten, mußte man damit rechnen, daß sie urplötzlich einbrachen.
Natürlich suchte ich vordergründig nach Spuren des Orlocks.
Auch wenn die Gestalt schon an die 100 Jahre nicht mehr lebte, war es durchaus möglich, Knochen- oder Aschereste zu finden.
Leider negativ…
Wenn ich mir die Entfernung zwischen der Gruft und dem Schloß vor Augen hielt, kam ich ungefähr auf 200 Yards. Allerdings Luftlinie, und der Stollen unter der Erde führte nicht auf direktem Wege zum Ziel. Hin und wieder beschrieb er auch einen Bogen.
Zudem wurde er enger.
Nach jedem Schritt schienen die Wände näher auf mich zuzunicken. Deutete es auf das Ende des Ganges hin?
Zum Glück nicht. Das Licht meiner Leuchte traf einen Spalt, der breit genug war, um einen Menschen durchzulassen. Als ich näher kam, wuchs meine Überraschung, denn hinter diesem gerade schulterbreiten Durchgang entdeckte ich ein Verlies.
Im ersten Augenblick war ich perplex, drückte mich hinein und blieb zunächst einmal in dieser ungewöhnlichen Umgebung stehen.
Wahrscheinlich war ich der einzige außer der Person, die sich hier aufgehalten hatte, der je dieses Verlies unter der Erde betreten hatte.
Die Wände bestanden aus einer Mischung aus Lehm und Steinen.
Sogar eine Säule ragte in die Höhe, die die Decke abstützte. Der Fußboden bestand aus zahlreichen, kleinen, als Muster gelegten Steinen, und ich sah an der gegenüberliegenden Seite die Umrisse einer braunen Tür, die sich innerhalb einer querstehenden Steinwand abzeichnete.
Hatte er hier gehaust?
Ich leuchtete das Verlies aus. Dabei entdeckte ich einen Gegenstand, den ich hier niemals vermutet hätte.
Es war eine Holzpritsche!
Sie stand so einladend da, daß ich auf sie zuging. Die Pritsche war zwar feucht, aber stabil genug, um mein Gewicht aushalten zu können.
Hatte vielleicht der Orlock dieses Verlies als Ausweichquartier benutzt? Wenn ja, dann konnte die offizielle Gruft nur als Täuschung bezeichnet werden. Wahrscheinlich hatte er seine Zeit hier verbracht.
Und das rund hundert Jahre…
Wie paßte dies zusammen? Konnte der Schänder überhaupt so lange überleben? Aus eigener Kraft bestimmt nicht, aber es gab da gewisse magische Möglichkeiten, die jemand nutzen konnte, wenn er beste Beziehungen besaß. Beziehungen zum Teufel, zum Beispiel.
Das konnte ich mir bei einer Figur wie dem Orlock durchaus vorstellen.
Ich umrundete die Bank einmal, stellte aber nichts Verdächtiges an ihr fest. Auch entdeckte ich nichts, was auf Asmodis hingedeutet hätte.
Und doch mußte gerade diese unbequeme Liege eine Bedeutung haben. So gewissenhaft ich den Raum auch ausleuchtete, es gab keinerlei Spuren. Weder Asche noch Knochen oder Haarreste von dem, der möglicherweise hier gestorben war.
Was blieb zu tun?
Eigentlich hatte ich nur eine Möglichkeit. Ich drehte mich um und ließ mich auf dieser Pritsche nieder. Das feuchte Holz gab ein wenig nach.
Die Stille empfand ich als bedrückend. Nur das leise Schaben war zu vernehmen, als ich ein Stück zurückrutschte und mich lang auf den Rücken legte. So war aus der Pritsche eine Ruhebank geworden.
Selbstverständlich tat ich dies nicht, weil ich kaputt oder müde war.
Irgendeine Funktion mußte die Liege einfach haben, und das wollte ich herausfinden.
Die Stablampe war ungewöhnlich lichtstark. Sie malte einen großen Kreis an die Decke, die sogar noch eine Wölbung zeigte.
Man hatte sie aus einem glatt wirkenden Material geformt, wahrscheinlich war es Lehm gewesen.
Wie gesagt, ausruhen wollte ich mich nicht. Ich rechnete damit, daß die Pritsche eine wichtige Bedeutung hatte, und das war tatsächlich der Fall.
Zwar blieb meine Umgebung die gleiche, aber es änderte sich trotzdem etwas.
Ein anderer Geist erfüllte plötzlich den Raum…
Er kam von irgendwoher, und ich mußte ehrlich gestehen, daß es keine guten oder positiven Strömungen waren, die plötzlich durch das Verlies glitten.
Gleichzeitig merkte ich die Warnung meines Kreuzes. Es hatte sich auf meiner Brust leicht erwärmt. Es strahlte seine Wellen ab, aber es glühte nicht auf.
Das geschah an den Wänden.
An allen vier Seiten
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