0467 - Der Kristall der Macht
unterschätzt«, widersprach Nicole. »Bis zu einem gewissen Punkt. Da hatten wir hinzugelernt.«
»Du bist also überzeugt, er habe sich hier eine Art Aussichtspunkt geschaffen.«
»Oder Meditationspunkt«, sagte Nicole. »Aber was interessanter sein dürfte, ist die Antwort auf die Frage: Wo ist Salem? Was hat er von dieser Kaverne gehalten und wie hat er darauf reagiert?«
»Ich glaube, diese Antwort kann ich dir geben«, sagte Zamorra. »Schau dir das an.« Während er sich mit Nicole unterhielt, hatte er sich weiter umgesehen. Jetzt deutete er auf eine bestimmte Stelle zwischen den Skelett-Kriegern. »Hier liegt mehr Staub als an den anderen Punkten, und es scheint hier auch ein Skelett zu fehlen.«
»Du glaubst also, er hat ein Skelett geklaut und…« Sie unterbrach sich sofort. »Unsinn. Er hat eine Rüstung genommen, nicht wahr?«
Zamorra nickte. »Die Skelett-Krieger zerfallen nach ihrem… äh… ›Tod‹ bekanntlich zu Staub. Manchmal erst, wenn man sie berührt. Die hier dürften alle am Ende ihres untoten Weges angekommen sein. Würde ich nicht davor zurückscheuen, diese sterblichen Überreste zu schädigen, die schon durch den Erweckungsfrevel Leonardos genug unverdienten Schaden genommen haben, könnte ich es dir beweisen.«
»Das brauchst du nicht. Ich kenne sie schließlich ebensogut wie du«, sagte Nicole. »Salem könnte sich also in eine dieser Rüstungen gezwängt haben.«
»Er könnte nicht nur, er hat«, behauptete Zamorra. »Irgendwo findet nämlich auch sein Leichtsinn Grenzen. Hier liegen nur Krieger in Vollrüstungen, die beste Tarnung für ihn.«
»Wie lange mag das her sein?« überlegte Nicole.
Zamorra zuckte mit den Schultern. »Ein paar Stunden, ein paar Minuten… ich weiß es nicht. Aber es wird noch nicht sehr lange zurückliegen.«
Nicole deutete auf sein Amulett. »Du könntest es mit einem Blick in die Vergangenheit herausfinden.«
»Ich will nicht unnötig Kraft verschwenden«, wehrte er ab. »Es spielt doch kaum eine Rolle. Wir werden ihn wahrscheinlich ohnehin einholen, weil er seinen Weg erst suchen mußte und wir seinen Spuren folgen können. Er ist zwar viel früher als wir aufgebrochen, aber er verliert zwangsläufig auch sehr viel Zeit. Ich schätze, wir sind gar nicht mal so weit hinter ihm. Und die Amulett-Energie brauchen wir möglicherweise schon bald für wichtigere Dinge.«
»Also weiterhin: ihm nach«, stellte Nicole fest.
Zamorra nickte. »Und hübsch vorsichtig. Hier hat der Teufel Heimspiel. Und vielleicht sind wir gar nicht so unbeobachtet, wie wir glauben.«
Er setzte sich wieder in Bewegung, fand den nächsten Gang, der aus diesem Totenlager hinausführte. Er ahnte nicht, daß dies tatsächlich Eysenbeißens Geheimversteck war und daß der Unheimliche noch gar nicht so lange fort war.
Allmählich stießen sie weiter und tiefer vor.
Es wurde allmählich heller - und heißer.
***
Stygia lächelte zufrieden. Ted Ewigk tat genau das, was sie ihm befohlen hatte. Er konnte sich ihrem Befehl nicht entziehen. Selbst wenn er wußte, was er da anrichtete, gab es für ihn keine Möglichkeit mehr, es zu verhindern.
Das war es, worauf Stygia immer gewartet hatte, seit sie Ewigk unter ihre Kontrolle nahm. Es war die lange Zeit der Vorbereitung wert gewesen. Jetzt erfolgte der große Schlag, der große Triumph. Auf diesen Moment hatte sie gewartet.
Ganz gleich, was geschehen würde - die Zamorra-Crew würde einen vernichtenden Schlag hinnehmen müssen. Gut, vielleicht überlebte Zamorra sogar, wenngleich es wenig wahrscheinlich war. Doch aus trüben eigenen Erfahrungen und denen anderer, vor ihr gescheiterten Dämonen, gab Stygia sich nicht verfrühten Erwartungen hin. Es war zwar wünschenswert, wenn Zamorra selbst starb, aber sie durfte nicht fest mit seinem Tod rechnen. Andere, die es bei ihren Anschlägen überheblich getan hatten, waren später zu überrascht gewesen, um sich noch wirkungsvoll wehren zu können, wenn der Totgeglaubte zurückschlug.
Aber mochte er überleben - so oder so würde es ein Erfolg für die Fürstin der Finsternis sein. Ein gewaltiger Schlag und der Beweis, daß sie jederzeit jeden andern der Zamorra-Crew unter ihre Kontrolle bringen konnte. Sie brauchte nur ein wenig Zeit, um die Manipulationsmöglichkeit ausreifen zu lassen. Und ein Fingernagel, oder eine Haarsträhne, ein Hautfetzen… was auch immer… das konnte sie allemal zwischendurch entbehren.
Es wuchs ja alles nach.
Ihr Erfolg. Fortan würde man sie nicht
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