0469 - Tödlicher Flammengruß
gegeben. Man kann unheimlich viel erreichen, wenn man nur intensiv genug an eine Aufgabe herangeht. Das ist mir gelungen. Ich kann über Menschen und Leben herrschen.«
»Was ist mit meinem Kollegen?« fragte ich ihn. »Steckt auch er in einer Flamme?«
»Du kannst ihn suchen.« Der Autor bewegte seine Hände. »Bitte, geh hin und suche ihn. Sicherlich wirst du ihn finden.« Er rieb sich in Vorfreude die Hände. »Die Treppen hier stehen dir zur Verfügung. Schaue dir alles genau an.«
»Und wenn ich es getan habe?«
»Wirst du das Haus nicht mehr lebend verlassen. Aber nutze deine Chance.«
»Natürlich.« Ich nickte und warf noch einen Blick auf die Flamme. Der Mann darin war etwa in meinem Alter. Er trug einen grünen Mantel. Sein Gesicht, ebenfalls wie der Körper verkleinert, zeigte einen staunenden und gleichzeitig hilfesuchenden Ausdruck.
Ich las auch die Angst in den Augen des Gefangenen.
Ob er mich gehört hatte, wußte ich nicht. Ich versuchte es mit einem Lächeln und einem aufmunternden Nicken, obwohl ich mir dabei irgendwie dumm vorkam.
Herbert Friday hatte mir angeboten, diesen ungewöhnlichen Raum zu durchsuchen.
Das tat ich auch.
Er selbst blieb zurück, während ich die Treppe hochschritt und mich der nächsten Flamme näherte.
Auch sie stand unbeweglich auf dem Handlauf und gab ihren geheimnisvoll schimmernden Lichtkreis ab. In ihr war eine Frau oder ein junges Mädchen gefangen. Die Kleine trug eine Lederjacke mit Straßbesätzen und hatte ihr Haar silbrig gefärbt. Das bleiche Gesicht war angstverzerrt.
Auch sie schaute ich an und brachte meine Hand in die Nähe der Flammen. »Ja!« hörte ich Friday sprechen. »Versuch es nur. Blase sie aus.« Er fügte noch ein häßliches Lachen hinzu. Ich tat das Gegenteil von dem und nahm die Hand wieder zurück. Obwohl sie sich nahe der Flamme befunden hatte, war von einer Hitze oder Wärme wieder nichts zu spüren gewesen.
Diese Menschen waren Gefangene des Höllenfeuers, so wie Jane und Suko. Wobei Jane eigentlich in noch größerer Gefahr schwebte, da sie auf der Liste des Teufels ganz oben stand.
Nur mehr wenige Stufen, dann hatte ich das Ende dieser Treppe erreicht. Mit einer weiteren, die von der anderen Seite herführte, traf sie auf einem Podest zusammen, wo ich stehenblieb und mich umschaute, denn von dieser Stelle aus bekam ich einen besseren Überblick, weil ich einfach höher stand.
Dieser Raum mit all seinen Treppen und Flammen war schon gewaltig. Er bildete ein regelrechtes Labyrinth. Ich sah sogar eine Wendeltreppe, die hoch zur Decke führte und dort verschwand. Da keine Flammen in der Nähe leuchteten, verschluckten Schatten die letzten Stufen.
Von hier oben wirkten die Flammen wie ein geheimnisvoll strahlendes Lichtermeer. Es war kein beruhigender Anblick, wie ihn Feuer bieten kann, denkt man an stille Vorweihnachtstage. Nein, dieses Feuer war kalt, es atmete den Odem der Hölle aus, in den ich ebenfalls hineingeraten war.
Herbert Friday hatte des öfteren von einer zweiten Gestalt gesprochen, seinem anderen Ich, das ich bisher in diesem Raum noch nicht zu Gesicht bekommen hatte. Allerdings gab es genügend dunkle Stellen, wo es sich hätte verbergen können.
Langsam ging ich weiter. Von diesem Podest aus konnte ich sowohl nach oben als auch wieder nach unten gehen. Ich entschied mich für die obere Richtung.
Sehr behutsam wiederum setzte ich meine Schritte. Kaum ein Laut war zu hören, wenn meine Schuhsohlen die Stufen berührten. Allmählich nahm der Druck im Magen zu. Auf meinem Körper lag eine Gänsehaut, ein Schauder der Furcht, und meine Blicke tasteten über die Flammen, in denen die Menschen standen und nicht verbrannten.
Jane hatte ich bisher noch nicht gesehen, doch auf halber Strecke traf es mich wie ein Hammerschlag.
Ich sah sie!
Wie alle anderen steckte auch Jane Collins in dem Feuer. Sie bildete gewissermaßen den Kern. Das Licht hatte Reflexe auf ihrem Blondhaar hinterlassen. Ihr Gesicht zeigte einen starren Ausdruck, nicht einen so sehr ängstlichen. Den ersten Schock mußte sie überwunden haben. Wie ich Jane kannte, dachte sie wahrscheinlich darüber nach, wie sie sich aus dieser Lage befreien konnte.
Ich blieb direkt vor ihr stehen und beugte mich nach einer Weile zu ihr herab.
Sie mußte mich gesehen haben, da sich ihr Gesichtsausdruck veränderte und ich das Staunen sah.
Gleichzeitig öffnete sie den Mund. Wahrscheinlich hatte sie mich gerufen, denn ich konnte von ihren Lippen ablesen, daß sie
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