Hogan, S: Steampunk-Saga: Episode 6
Inhalt
Roger Leclercs Haus befand sich in einer Vorstadt namens St. Germain. Dorthin flogen Kate und ihre Begleiter, nachdem sie ihr Gepäck in den vor wenigen Stunden erworbenen Drehflügler geladen hatten.
Benson schmollte, aber Kate wollte trotz ihrer freundschaftlichen Gefühle für den Kriminalassistenten unbedingt ihren Willen durchsetzen. Gewiss, noch wusste sie nicht, ob Leclercs Informationen über die Paris-Maschine überhaupt etwas taugten. Aber sie würde dessen wertvolle Hinweise nicht ignorieren, nur weil Benson den Franzosen nicht ausstehen konnte.
Außerdem musste Kate zugeben, dass die Nähe ihres eleganten Verehrers ihr ausgesprochen guttat. Immer wieder schaute sie über die Schulter nach hinten zur Passagierbank, wo Leclerc neben Fletcher Platz genommen hatte. Benson war wieder die undankbare Rolle des Heizers zugefallen. Kate hoffte, dass er bei der harten körperlichen Arbeit seinen Zorn abreagieren konnte.
Kate konnte Leclercs begehrliche Blicke auf ihrem Leib fast körperlich spüren. Falls der Bohemien verblüfft darüber war, Kate im Führerstand des Dampfkutters zu sehen, dann ließ er sich das jedenfalls nicht anmerken.
Nach einem viertelstündigen Flug hatten sie ihr Ziel erreicht. St. Germain erinnerte Kate ein wenig an die Landgemeinden in Umkreis von London, die allmählich von der sich immer weiter ausbreitenden Millionenstadt vereinnahmt wurden. Leclercs sogenanntes Stadtpalais stand inmitten eines großen und zumindest für Londoner Begriffe leicht verwildert aussehenden Gartens. Dort gab es auch einen mit Kies bestreuten Platz, der sich hervorragend zum Landen eignete.
Kate hatte eigentlich erwartet, dass Leclercs Dienstpersonal aus dem Haus stürmen würde, denn der Besuch durch Drehflügler-Passagiere kam gewiss nicht tagtäglich vor. Oder? Sie musste sich eingestehen, dass sie nur äußerst vage und vielleicht auch falsche Vorstellungen von den Lebensgewohnheiten des Bohemiens hatte. Kate drosselte den Motor, bis die Rotoren allmählich zur Ruhe kamen und man sich verständigen konnte, ohne schreien zu müssen.
„Üben sich Ihre Diener in vornehmer Zurückhaltung?“, fragte sie Leclerc, nachdem der Franzose, Fletcher und sie selbst den Dampfkutter verlassen hatten. Auch Benson gesellte sich zu ihnen. Seine Kleidung hatte bereits stark unter der Bedienung des Dampfkessels gelitten. Der Kriminalassistent starrte düster vor sich hin, hatte aber genügend britische Selbstbeherrschung, um nicht laut zu schimpfen.
Der Bohemien lachte leise. Er strahlte wieder jene nonchalante Selbstsicherheit aus, mit der er Kate bei ihrer ersten Begegnung so beeindruckt hatte. Auch wenn sie sich das zunächst nicht hatte eingestehen wollen. Sie fühlte sich wohl in Leclercs Nähe, so einfach war das. Und das Essen mit ihm im Restaurant Bilcourt gehörte zu den schönsten Erlebnissen ihres bisherigen Lebens.
„Diener? Nein, ich habe keine Angestellten. Es gibt lediglich eine alte Aufwartefrau, die das Gebäude säubert und in Schuss hält. Doch sie kommt meistens, wenn ich ohnehin nicht daheim bin. Ich reise viel, und ich gehe praktisch jeden Abend aus. Ich esse meist in Restaurants, also benötige ich auch keine Köchin. Und für einen Kammerdiener habe ich auch keine Verwendung. Ich bin nämlich dazu imstande, mich ganz allein an- und auch wieder auszukleiden.“
Leclerc betonte den letzten Satz stark und warf Kate dabei einen zweideutigen Blick zu. Sein Verhalten war so frech, wie sie es von ihm gewohnt war. Zum Glück bemerkten weder Fletcher noch Benson seine Unverschämtheit. Der Erfinder hatte nämlich bereits den leerstehenden Pferdestall entdeckt und ging darauf zu, während der Kriminalassistent sich abgewandt hatte, um den Kohlenruß aus seinem Gehrock zu klopfen.
Leclerc deutete auf Fletcher.
„Ihr Onkel kann es offenbar kaum erwarten, an dem Dampfkutter herumzuschrauben, Kate. Ich schlage vor, wir schaffen das Fluggerät zunächst in das Gelass. Dort ist es sauber und trocken, falls das Wetter umschlagen sollte.“
Der Franzose deutete auf den sich eintrübenden Himmel. Kate und ihre Gefährten waren einverstanden. Schon bald schoben sie den Drehflügler, dessen Maschinenfeuer inzwischen wieder erloschen war, mit vereinten Kräften in den ehemaligen Stall. Leclerc hatte nicht übertrieben. Das Gebäude war fensterlos, aber es ließ sich mit einigen großen Petroleumlampen gut ausleuchten. Dort konnte der Erfinder seine Umbauten an dem Flugapparat vornehmen, ohne
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