047 - Amoklauf
gegangen«, sagte sie. »Wir haben ihr ein starkes Schlafmittel gegeben. William bringt jetzt Barbara ins Bett. Sie hat sich noch immer nicht beruhigt und will, daß er nicht von ihrer Seite weicht. Sie weigert sich, ein Schlafpulver zu nehmen.«
»Es wird mir wohl nichts anderes übrigbleiben«, meinte ich, »als hier zu übernachten.«
»Ich lasse für Sie ein Zimmer zurechtmachen, Mr. Stack. Der Raum nebenan ist frei. Ist Ihnen das recht?«
»Ja«, sagte ich.
Sie stand auf. Ich sah ihr nach. Sie war wirklich ein beachtliches Mädchen, und sie hatte Mut. Die seltsamen Vorfälle hatten ihr viel weniger zugesetzt, als den anderen Familienmitgliedern.
Fünf Minuten später war sie zurück. »Ich verstehe nicht, weshalb Dr. Hewitt nicht kommt«, sagte sie, und ich blickte überrascht auf.
»Wie war der Name?« fragte ich mit heiserer Stimme.
»Hewitt«, wiederholte Gloria. »Jerome Hewitt. So heißt der Arzt, der die Untersuchungen durchgeführt hat und den wir verständigten.«
Ich atmete rascher, und unwillkürlich ballte ich die Fäuste. Dr. Jerome Hewitt! Er war einer meiner Brüder. So wie ich am selben Tag geboren: am 14. Juli. Er war ein Dämon; meine Vermutung war also richtig gewesen. Hinter den mysteriösen Vorfällen steckte die Schwarze Familie.
»Warum verständigten Sie gerade Dr. Hewitt?« fragte ich rasch.
»Das war doch naheliegend«, sagte Gloria. »Er muß am besten Bescheid wissen. Er untersuchte uns schließlich wegen dieser Seuche. Vielleicht war mein Vater davon befallen und lief deshalb Amok. Und wahrscheinlich leidet mein Bruder auch daran. Anders kann ich mir sein Verhalten nicht erklären.«
Ich nickte und überlegte fieberhaft. Sollte Hewitt tatsächlich noch herkommen – was ich allerdings bezweifelte –, dann befand ich mich in einer bösen Situation. Er würde mich natürlich erkennen und sofort auszuschalten versuchen; und da ich alle meine Hilfsmittel im Hotel hatte, würde er keine großen Schwierigkeiten haben.
Mir rann es kalt über den Rücken, und ich biß mir auf die Lippen. »Rufen Sie nochmal an!« sagte ich.
»Dr. Hewitt ist unterwegs.«
»Rufen Sie trotzdem nochmal an! Und wenn Sie ihn nicht erreichen, dann verständigen Sie einen anderen Arzt.«
Widerstrebend stand sie auf.
Verdammt noch mal!, dachte ich. Was sollte ich tun, wenn Hewitt doch noch auftauchte? Ich hatte nur eine Pistole bei mir, die Hewitt gegenüber völlig nutzlos war.
Rasch sah ich mich im Zimmer um. Dann stand ich auf und holte aus der Brusttasche ein Stück blaue Schneiderkreide. Damit kniete ich vor der Tür nieder und malte ein Hexagramm auf die Türschwelle. Ich war kaum fertig, als sich Richardson unruhig zu bewegen begann. Wieder ein Beweis dafür, daß er von Dämonen befallen war. Ich sah ihn nachdenklich an, löste das Amulett von meinem Hals und nahm es in die rechte Hand. Dann schob ich die Stehlampe näher an den Kopf Richardsons, trat einen Schritt vor und hielt das Amulett genau ins Licht. Es sprühte Funken, und silberne Blitze trafen Richardsons Gesicht. Sein Körper bäumte sich auf. Seine Glieder verkrampften sich unnatürlich, und sein Gesicht fiel ein. Rasch zog ich das Amulett zurück. Wenn ich ihn längere Zeit so angestrahlt hätte, wäre er vor meinen Augen eingeschrumpft. Die Strahlung des Amuletts war allzu wirksam; sie hätte seinen Tod hervorgerufen.
Als ich Glorias Schritte hörte, hängte ich mir rasch das Amulett um den Hals und steckte die Kreide wieder ein. Ich blieb neben der Tür stehen und beobachtete die junge Frau. Sie zuckte schmerzhaft zusammen, als sie über die Türschwelle trat, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Verwundert sah sie sich um.
Es gab für mich keinen Zweifel. Auch sie befand sich im Bann der Dämonen. Und sicherlich waren auch Grace und Barbara in der Gewalt der Schwarzen Familie.
»Was war das eben?« fragte Gloria verwundert. »Als ich durch die Tür trat, bekam ich einen Schlag. Es schmerzte entsetzlich.«
Sie setzte sich und starrte die Tür an, doch das Hexagramm fiel ihr nicht auf.
»Haben Sie Hewitt erreicht?« fragte ich.
»Ja«, sagte sie. »Er hatte einen Verkehrsunfall und ist selbst verletzt. Er kann nicht kommen. Ich habe einen anderen Arzt angerufen, der kommen wird. Es ist unser Hausarzt. Er kann aber erst in zwei Stunden hier sein.«
Ich atmete erleichtert auf, als ich erfuhr, daß mein Bruder nicht kommen würde.
»Was ist das?« fragte Gloria überrascht. »Hören Sie es auch?«
»Das Geräusch
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