0475 - Der Drache der Zeit
einer Telefonzelle aus Château Montagne in Frankreich anzurufen, kam er nicht, weil er nie gelernt hatte, menschlich zu denken. Seine Welt war die Welt der Magie, nicht die der Technik.
Es war zu spät. Zamorra war schon fort, konnte nichts mehr unternehmen.
Vermutlich war er selbst längst von der Katastrophe betroffen. Merlin konnte nur hoffen, daß Zamorra dann aus der fatalen Lage, in die er geraten war, das Beste machte. Aber es gab keine Garantien.
Wer konnte sonst noch helfen?
Die Druiden? Sara? Sie waren bei ihm. Fenrir? Er war ein Wolf und dadurch gehandicapt. Robert Tendyke? Vielleicht, aber auch er mußte erst erreicht werden, und dazu fehlte Merlin in diesem Moment die Kraft. Da war auch noch Sid Amos, und ihn hätte Merlin am liebsten um Hilfe gebeten. Doch auch der dunkle Bruder war irgendwo unterwegs und nur schwer erreichbar.
Merlin brauchte Zeit. Kostbare Zeit, in der sich die entstandenen Veränderungen zu manifestieren begannen, und je länger dieser Prozeß voranschritt, desto höher wurde der Wahrscheinichkeits-Koeffezient dieser Veränderung. Merlin sah ein Schreckensbild vor sich: eine Abspaltung wie damals die Echsenwelt. Nur würde diesmal die Erde wie er sie bisher kannte, die Abspaltung sein und sich langsam aber sicher entropisch auflösen, während die andere Erde, die Welt des neuen Schreckens, weiterexisterte.
Und das alles, weil er in seiner Euphorie einen Fehler begangen hatte. Einen an sich winzigen Fehler, der aber eine geradezu erschreckende Wirkung zeigte.
Merlin wünschte sich, er könnte das Geschehene rückgängig machen. Aber das lag nicht mehr in seiner Hand.
Irgendwo in der Zukunft befand sich der Silbermond. Irgendwann würde er über der Erde auftrauchen. Aber wann? Merlin wußte nicht einmal die Zeit. Im Jahr 2000? 2010? Oder noch später?
Aber in der Zwischenzeit warf das Chaos bereits seine Schatten über die Welt, denn das System der Wunderwelten als Bastion des Bösen existierte jetzt WIEDER…
***
Zamorra bewegte sich durch den Korridor. Unwillkürlich rümpfte er die Nase. Es stank. Zum erstenmal fiel ihm dieser Gestank, auf. Früher hatte er entweder nie eine Gelegenheit gehabt, darauf zu achten, oder die Lüftungsanlagen hatten besser funktioniert.
Mit der Zeit gewöhnte Zamorra sich an den fauligen Geruch. Er bemühte sich, die Konstruktionsdetails nicht besonders genau wahrzunehmen. Er begriff heute noch nicht die Denkstruktur der Meeghs. Was mußten das für Gehirne sein, die derart verwirrende und teilweise unlogisch wirkende Konstruktionen erschufen? Spinnengehirne… Gangliennetze…
Auf jeden Fall wollte er sich nicht in den Details verlieren. Er wollte sich weder verwirren lassen noch den Verstand verlieren. Er hatte ein klares Ziel vor Augen. Schon bald stellte er fest, daß dieser Spider in seiner Konstruktion jenen Dimensionsraumschiffen entsprach, die Zamorra damals kennengelernt hatte. Keine Neukonstruktion, keine Änderungen, keine Überraschungen. Die einzigen Überraschungen, vor denen er sich hüten mußte, waren eventuell in seinem Weg auftauchende Meeghs.
Wie stark war die Besatzung eines Spiders? Er wußte es nicht. Damals, als er selbst eines dieser Objekte geflogen hatte, hatten ein paar Mann Besatzung ausgereicht. Zamorra, Nicole, Balder Odinsson… wer war sonst noch mit dabei gewesen? Seltsamerweise konnte er sich nicht mehr richtig daran erinnern. Eine Sebstschutzmaßnahme seines Unterbewußtseins, möglicherweise.
Wenn er es schaffte, diesen Spider zu übernehmen und dann Nicole und die anderen an Bord nehmen konnte, hatte er wahrscheinlich die perfekte Crew. Und auch eine hervorragende Ausgangsbasis, was auch immer geschehen war. Die Spider waren kampfstarke Flugobjekte, nahezu unbesiegbar. Mit einer solchen Waffe ließ sich pokern. Auch die MÄCHTIGEN konnten daran nicht einfach Vorbeigehen, selbst wenn die Meeghs nichts anderes darstellten als ihre willenlosen Sklaven. Aber vielleicht würde der Spider unter Zamorras Kontrolle gerade deshalb der Joker in diesem Spiel sein, dessen Regeln noch weitgehend unbekannt waren.
Er hielt in der Bewegung inne. Vor ihm glitt lautlos ein Schatten aus der Wand - besser, aus einer Tür, die sich darin verborgen befand. Zamorra hob die auf Paralyse eingestellte Waffe. Er hoffte, daß der Meegh in die andere Richtung ging und ihn nicht bemerkte.
Aber der Schatten kam auf Zamorra zu.
Der Dämonenjäger preßte sich in eine Nische. Mit etwas Glück passierte ihn der Meegh, ohne ihn in
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