0475 - Der Drache der Zeit
doch nur Kontakt mit seinen Eltern gehabt hatte, die mit ihm so lange in der Einsamkeit, in der Wildnis fernab der Zivilisation gelebt hatten, bis er in der Lage gewesen war, sich selbst zu schützen vor den dämonischen Vernichtungsangriffen. Angelique gefiel ihm. Mann liebt Frau, und Frau liebt Mann. Also hatte er sie gebeten, mit ihm zu kommen, und sie war ihm gefolgt, obgleich sie auch in Baton Rouge Verpflichtungen hatte. Doch sie war Julian gern gefolgt.
Aber da mußte noch mehr sein, und das verstand er noch nicht. Er mußte es erst erkennen. Aber wie, wenn niemand ihm den Weg zeigte?
»Was du tun kannst?« Sie funkelte ihn an. »Verdammt, einfach mal mit mir reden, auch wenn es nur Belanglosigkeiten sind. Mir von deinen Problemen und Gedanken erzählen und dir meine anhören. Gemeinsam etwas unternehmen. Nicht allein an dich selbst denken. Julian, ich bin keine Maschine, die man nach Belieben ein- oder ausschalten kann.«
»Vielleicht geht das nicht so schnell«, sagte er leise und sah auf das vor ihm auf dem Boden liegende Schwert. »Vielleicht muß ich erst einen Drachen töten. Vielleicht ist das meine Bestimmung.«
»Zum Teufel mit deiner Bestimmung. Ich will leben, Julian, nicht nur neben dir als dein Schatten existieren. Ich bin kein Schatten. Ich bin ein Mensch. An deiner Seite aber kann ich nicht leben. Ich kann nur da sein. Es macht, verdammt noch mal, keinen Spaß.«
»Du willst gehen? Heim?«
Sie starrte ihn an; mit dieser Frage hatte sie offenbar nicht gerechnet.
Aber zugleich hatte er sie damit in eine Ecke gedrängt.
»Ich glaube immer noch, daß ich dich lieben kann, daß ich dich liebe, Julian«, sagte sie nach einer Weile. »Aber wenn du den Weg zu mir nicht findest, werde ich gehen.«
Sie wandte sich ab und schritt langsam davon, ins zweite der beiden Zimmer der Blockhütte.
»Zeig mir den Weg zu dir«, bat Julian leise, aber Angelique antwortete nicht. Er konnte ihre Antwort aus der Haltung ihres Körpers lesen. Den Weg mußt du selbst finden. Ich kann und darf ihn dir nicht zeigen, denn dann wäre alles wie bisher.
Seine Augen brannten. Er fühlte sich innerlich zerrissen. Er wollte Angelique nicht verlieren. Er war glücklich, wenn sie in seiner Nähe war. Er mochte ihre Berührungen. Es beruhigte ihn, ihren Atem zu hören, wenn er nachts aufwachte. Und jetzt brannte der schmerzhafte Dorn in ihm, daß sie so nah und trotzdem so unendlich fern war. Er mußte sich ihr nähern.
Aber er mußte auch seiner Bestimmung folgen.
Das Bild mit dem unterlegen zurückweichenden Merlin und dem größer, stärker und gefährlicher werdenden Drachen wollte sich erneut in den Vordergrund drängen. Julian stand auf und verließ die Hütte. Er trat in den Abend hinaus. Er ging durch den Schnee, bis er gut hundert Meter entfernt weit oberhalb der Hütte am Hang stand. Er stieß einen langanhaltenden, gellenden Schrei aus, bis ihm der Atem wegblieb. Er schrie seine seelische Zerrissenheit in die beginnende Nacht, aber es erleichterte ihn nicht.
Und die Giganten der Ewigkeit, die schneebedeckten Felsmassive des Himalaya, waren so bedrückend wie nie zuvor.
***
Zamorra berührte einen Schalter. Vor ihm glitt das Durchgangsschott auf, und er trat in eine Art Korrridor. Hinter ihm glitt die düstere Tür wieder zu.
Gryf blieb auf dem Boden liegend zurück, geschützt durch das Amulett auf seiner Brust.
Nur wenige Augenblicke später öffnete sich eine andere Tür. Nacheinander glitten zwei schattenhafte Gestalten in den großen Raum. Die beiden Meeghs näherten sich vorsichtig dem Druiden. Sie spähten auch nach der Tür, durch die Zamorra gegangen war, als fürchteten sie seine Rückkehr.
Als sie Grryf nahe kamen, reagierte das Amulett. Es erzeugte wieder den grünlich flirrenden Schutzschirm, der sich um den Druiden legte. Einer der aufrecht gehenden Schatten erreichte Gryf und berührte ihn.
Ein schriller Pfeifton erklang, als der Meegh zurückschnellte. Er war sichtlich schwer angeschlagen; die Berührung hatte ihm einen Schock versetzt. Während er darum rang, sich wieder zu erholen, richtete der andere eine Waffe auf Gryf. Diesmal handelte es sich nicht um eine Peitsche.
Ein schwarzer Blitz fuhr aus der Mündung hervor und traf das grüne Leuchten. Der Blitz zersprühte am Schirmfeld, das diesmal nur wenig belastet wurde; die Energie der Strahlpeitsche war stärker - oder anders.
Der Meegh gab sich mit dem Ergebnis nicht zufrieden.
Er schoß erneut auf den Druiden, diesmal mit
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