0484 - Die Rächerin aus Aibon
Inseln inmitten der toten Stromarme waren nicht mein Fall. Ich hatte mich nach Brentfort hin orientiert und eine Uferstraße gefunden, die kaum befahren wurde. In der Nähe und etwas oberhalb liegend führte die breite London Road vorbei, auf der der Verkehr rollte.
Neben mir wälzte sich der graue Strom weiter durch sein Bett. Die Farbe des Wassers war kaum anders als die der Wolken hoch über mir. Schiffe schoben sich durch die Fluten. Leichte Dunstschwaden berührten das Wasser. Vögel begleiteten die Schiffe, und das grüne Ufergestrüpp stand manchmal dicht wie eine Wand.
Ich hatte es zwar eilig, konnte aber nicht schnell fahren. Der Untergrund glich an manchen Stellen schon einer kleinen Hügellandschaft, so daß der Rover seine Mühe hatte.
Rechts von mir lag der Fluß. Auf den Knien hatte ich die Karte ausgebreitet. Sie war detailgenau.
Auch die Insel, auf der Tom Sullivan lebte, war eingezeichnet.
Die Themse schlug einen Bogen. Die einzelnen Inseln von unterschiedlicher Größe lagen mehr dem Ufer zugewandt, an dem ich entlangrollte. Einige waren bewohnt. Ich sah die Dächer wie schräge rote Flächen und hin und wieder auch einen Rauchstreifen aus einem Kamin steigen.
Die sehr nahe am Ufer liegenden Inseln besaßen eigene Stege. Manche von ihnen sahen arg mitgenommen aus, wahrscheinlich waren sie bei Überschwemmungen zerstört und dann notdürftig repariert worden. Ansonsten erreichte man die Eilande mit Booten.
Menschen waren mir auf den Inseln nicht aufgefallen. Diese Eilande wirkten wie dunkle, tote Augen im gurgelnden Strom des Wassers. Manche waren so dicht bewachsen, daß die Bepflanzung an den Ufern wie ein Dschungel aussah.
Sullivans Insel hatte ich mir auf der Karte rot angekreuzt. Da ich sehr langsam dahinrollte, konnte ich während der Fahrt Vergleiche anstellen.
Der Weg senkte sich etwas. Schräg vor mir lag wieder ein grüner Streifen im Wasser. Eine schmale Zunge, auf der ein Haus stand, das von Unkraut und Buschwerk umgeben war.
Sullivans Insel!
Ich ließ den Rover ausrollen, stieg aus und drückte die Tür sacht ins Schloß.
Wind wehte mir ins Gesicht. Das Schreien der Möwen hörte sich wütend an. Das alte Wasser stank und war nicht besonders appetitlich. Wie hinkommen und nicht schwimmen?
Ich rutschte dem Ufer entgegen. Dicht vor mir kräuselten sich leichte Wellen dem Uferschlamm entgegen. Schilf bewegte sich so starr, als würde es von Händen zwischendurch festgehalten.
Der schmale Steg, er bildete die Verbindung zwischen Insel und Ufer, hob sich kaum von der Farbe des Wassers ab. Deshalb erkannte ich ihn auch ziemlich spät.
Die Wellen unterspülten ihn. Bei Hochwasser würden sie über das faulige Holz gleiten. Auf der Fläche fehlten einige Planken. Andere hingen nur noch an einer Seite fest.
Bevor ich den Untergrund betrat, warf ich noch einen Blick auf die Insel.
Dort rührte sich nichts. Ein Haus sah ich ebenfalls nicht. Das hatte nichts zu bedeuten, denn auf dem Fleck wucherten Büsche und Krüppelbäume, die gut und gern die Höhe einer normalen Hütte erreichten.
Ich ging sehr vorsichtig, machte größere Schritte, wenn ich an die Löcher geriet und spürte, daß auch die normalen Holzbohlen unter meinen Füßen nachgeben wollten.
Der Steg hielt!
Ich näherte mich der Insel, wo sich noch immer nichts tat. Aus einem Baum stiegen Vögel hoch und verschwanden in den ziemlich tief hängenden grauen Wolken.
Auf dem Eiland duckte ich mich zunächst hinter die natürliche Deckung. Zwei Minuten wartete ich, ob sich etwas tat. Nichts geschah. Man schien mich nicht entdeckt zu haben.
In der Nähe lag ein alter Holzkahn. Der Inselbewohner hatte ihn auf die Uferschräge gezogen.
Einen Pfad suchte ich vergebens. Es blieb mir nichts anderes übrig, als mir eine Stelle auszusuchen, wo die Büsche nicht mehr so dicht standen. Gras schabte an meiner Kleidung. Unter sperrigen Zweigen duckte ich mich hinweg. Manche standen ab wie Finger. Sie streifen auch mein Haar. Geräuschlos konnte ich mich leider nicht voranbewegen, aber es zeigte sich niemand, der auf diese Laute reagiert hätte.
Dann sah ich das Haus.
Nein, kein Haus. Eine alte Hütte. Zusammen- oder zurechtgezimmert aus Baumstämmen und Ästen.
Sie duckte sich in das Gestrüpp hinein, als hätte sie Angst, entdeckt zu werden.
Fenster besaß sie auch. Die Scheiben schimmerten dunkel, und die Tür befand sich an der Schmalseite.
Sie war noch nicht wichtig für mich. Ich näherte mich geduckt einem der Fenster,
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