0484 - Die Rächerin aus Aibon
gab.
Dieses Land war die letzte Station in meinem Leben. Eingeschlossen in einem gläsernen Sarg, wartete ich voller Bangen und Angst auf mein Ende.
Die Luftknappheit wurde lebensbedrohend. Jeder Atemzug entwickelte sich zu einer Qual.
Manchmal hatte ich schon das Gefühl, ersticken zu müssen.
Ich konnte nicht mehr ruhig liegenbleiben, wälzte mich von einer Seite auf die andere, stieß dabei gegen die Glaswände, und der Sarg begann ebenfalls zu schwanken, aber er kippte nicht um. Seine Stellfläche war einfach zu breit.
Einige Male hatte ich versucht, den Deckel in die Höhe zu wuchten. Es war vergeblich gewesen.
Wieder holte ich verzweifelt Luft. Den Tod hatte ich bereits vor Augen.
Es war unvorstellbar, die Qualen, die ich erlitt, unbeschreiblich. Manchmal fand ich mich nicht mehr zurecht. Der Mangel an Luft gaukelte mir Bilder vor, die nicht vorhanden waren.
Ich erinnerte mich wieder an Szenen aus der Vergangenheit, wie ich begraben worden war. Damals war noch die Dunkelheit hinzugekommen. Hier sah ich die frische, herrliche Natur um mich herum und starb trotzdem.
Dies war noch schlimmer als damals in der tiefen Finsternis.
Keuchende und ächzende Laute drangen an meine Ohren. Ich stieß sie aus, und sie erfüllten das Sarginnere.
Angst peitschte weiter in mir, beeinträchtigte mein Denken, so daß ich hin und wieder in Lethargie fiel. Die Luft war fast völlig verbraucht.
Dann wollte ich schreien.
Vielleicht hörte mich jemand. Die Kraft aber, um überhaupt einen Schrei auszustoßen, besaß ich einfach nicht. Es wurde nur ein Wimmern daraus, das durch das Dunkel des nahenden Todes drang und mir fremd vorkam, obwohl ich es schon gehört hatte.
War es noch ein Wimmern?
Irgendwann, vor langer Zeit. Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern. Aber es war mir bekannt.
Schatten fielen über mich. Vorboten des ewigen Schlafs, der mich in die Dunkelheit reißen würde.
Das Totenreich lockte, die Melodie aber blieb. Die Schatten über mir bewegten sich. Hörte ich Stimmen?
Noch immer klang die dünne, fast wehmütig anmutende Melodie an meine Ohren. Ich wollte ein letztes Mal schreien, riß den Mund weit auf, aber dazu kam es nicht mehr.
Ich schrie nicht, etwas anderes trat ein.
Ich atmete.
Und ich hörte jemand meinen Namen sprechen. »John Sinclair…«
Dann wußte ich nichts mehr!
***
Blitzschnell war der Kreis geschlagen. Die drei Riemen rutschten aus der Peitschenöffnung hervor.
Suko hatte die Dämonenpeitsche schlagbereit gemacht.
Jarveena schaute ihn an. Ihre dunklen Augen zeigten eine gletscherartige Kälte. Die Lippen lagen zusammengepreßt. Nichts zuckte in ihrem Gesicht, und Suko schüttelte den Kopf, als er noch näher auf die Rächerin aus Aibon zuging.
»Nichts wirst du«, sagte er. »Gar nichts. Hast du verstanden? Du wirst keinen Menschen mehr töten. Das erlaube ich dir nicht. Ich werde das Heft in die Hand nehmen.«
Jarveena lachte schrill auf. »Du wagst es, dich gegen mich aufzulehnen? Du?«
»Ja, ich.«
»Nein, das darf nicht wahr sein! Ein, Mensch will gegen mich angehen. Wie begründest du diesen Größenwahn? Sag es mir!«
»Es ist genug gemordet worden! Irgendwann muß einmal Schluß sein! Hast du verstanden?«
»Mein Auftrag ist noch nicht erfüllt.«
»Wo befindet sich John Sinclair?«
»Ich habe ihn in den Sarg gelegt und mit nach Aibon genommen. Dort wird er sterben. Und ich werde auch den letzten der drei Mörder mitnehmen. Niemand kann mich daran hindern.«
Suko startete genau im richtigen Augenblick. Er spürte die sich plötzlich aufbauende Magie und sprang in diesen unsichtbaren Kreis hinein, um ebenfalls von ihm erfaßt zu werden.
Jarveena konnte nicht mehr zurück. Mit der freien Hand umschlang Suko sie, er hörte noch den Ruf des Malers, dann erfaßte ihn der Sog, der ihn und Jarveena in die andere Welt mitriß…
***
Nicht Suko schrie, sondern Jarveena!
Es war kein Schrei der Freude, kein Ruf des Triumphs, sondern ein Ausdruck tiefster Enttäuschung.
Suko sah auch den Grund!
Sie waren zusammen im Paradies der Druiden gelandet und befanden sich dort, wo die drei Särge standen.
Einer war offen. Und in ihm lag John Sinclair. Suko hatte nur Augen für ihn, er sah die umstehenden Personen nicht, unter denen sich auch ein Mann mit brandroten Haaren befand, der in Aibon als der rote Ryan und als Flötenspieler bekannt war.
Vergessen war auch Jarveena. Suko fiel neben dem Sarg in die Knie, er hatte nur Augen für John Sinclair.
Und ich sah
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