0487 - Griff aus dem Nichts
widerstrebten seiner Seele zutiefst.
***
Lautlos bewegten die Häscher sich durch die Nacht. Wesenlose Gestalten in dunklen Kutten, die Gesichter verborgen unter großen, überhängenden Kapuzen. Der Auftrag war unbestimmt; sie sollten nur irgendeine Person entführen, die als Blutopfer für Gaap geeignet war. Deshalb rechneten sie auch nicht damit, lange unterwegs zu sein. Es mußte nur unauffällig geschehen; niemand durfte merken, daß es sich um eine Entführung handelte, und erst recht nicht, wer dahinter steckte.
Viele Menschen verschwanden spurlos in dunklen Nächten. Manchmal fand man ihre sterblichen Überreste, oftmals ließen sie sich nicht einmal mehr identifizieren. Aber häufig genug wurden sie überhaupt nicht mehr gefunden.
Niemand würde sich also besondere Gedanken machen, wenn auch in dieser Nacht wieder ein Mensch verschwand. Die Träger der dunklen Kutten hatten noch nie Zeugen zurückgelassen.
Sie waren vorsichtig!
***
Über dem Loire-Tal schien die Herbstsonne. Wie so oft in den letzten zwölf Monaten, war es eigentlich für die Jahreszeit etwas zu warm. Allerdings nicht mehr warm genug, sich in mehr oder weniger paradiesischem Zustand im Freien zu tummeln, sofern man seine Sinne noch halbwegs beisammen hatte. Professor Zamorra hing in seinen Gedanken dem prachtvollglutheißen Sommerwetter nach und bedauerte ein wenig, daß die langen Beine der Mädchen unter den Miniröcken jetzt unter dicken Strümpfen verschwanden und die dünnen, fast durchsichtigen Blusen und knappen T-Shirts unter Jacken und Mänteln versteckt wurden. Aber der nächste Sommer kam bestimmt, und Zamorras Gefährtin Nicole Duval, die selbst auch nicht besonders viel von einengender Winterkleidung hielt, hatte verkündet, daß sie, wenn es im nächsten Jahr auch wieder so tierisch heiß würde, nicht nur auf Privatgelände, sondern auch in der Öffentlichkeit im Evaskostüm herumlaufen wolle. »Und wenn ich dafür extra nach München umsiedeln muß und mich dann nur noch im Englischen Garten und am Isar-Ufer bewegen kann!«
Zamorra beruhigte sie. »Bis München brauchst du gar nicht auszuwandern. Paris liegt näher, und da hat man die Nackedeis zumindest am Seine-Ufer inzwischen auch schon zu tolerieren gelernt. Na ja, wer Euro-Disney verkraftet, der überlebt auch den Anblick nackter Haut, sollte man annehmen…«
Und davon versprach auch der nächste Modesommer wieder eine Menge, wenn man den Zeitungen und Prospekten glauben durfte, in denen Nicole Duval blätterte, um auf dem Laufenden zu bleiben. Zamorra sah ihr über die Schulter und betrachtete die Fotos, die bei den Modenschauen geschossen worden waren; teilweise sollten die flippigen 70er Jahre wieder aufleben, teilweise wurde es recht avantgardistisch und sexy. »Wird Zeit, daß das in den Handel kommt«, meinte Zamorra schmunzelnd.
»Aber dann protestierst du prompt wieder, wenn ich einen Boutiquenbummel machen will, weil dir diese scharfen Klamotten zu teuer sind!« gab Nicole zurück. »Ein Grund mehr, den nächsten Sommer nackt zu durchleben.«
»Wie recht du hast«, grinste Zamorra. »Wer so hübsch ist wie du, braucht seine Schönheit ohnehin nicht unter überflüssigen Textilien zu verstecken.« Nicole seufzte. Während sie in kanariengelbem T-Shirt und knappem Höschen auf dem Bärenfell vor dem knisternden Kaminfeuer lag und in den Magazinen blätterte, hatte Zamorra mal wieder seine Finger nicht bei sich lassen können und dafür gesorgt, daß er mittlerweile fast alles von Nicoles nahtlos gebräunter Haut zum Streicheln und Küssen zur Verfügung hatte. Nicht, daß es sie sonderlich gestört hätte - wie Zamorra, war auch sie der Ansicht, daß man Gelegenheiten nutzen sollte. Das Leben war kurz genug, und gerade bei ihrer aufregenden »Nebenbeschäftigung« konnte jeder Tag der letzte sein. Die Jagd auf Dämonen und andere Schwarzblütige war ein lebensgefährliches Geschäft.
Nicole rollte sich halb herum. »Also, entscheide dich!« verlangte sie. »Entweder ziehst du mich ganz aus, oder wieder ganz an, aber nicht diese Halbheiten! Ich komme mir ja fast gefesselt vor!«
Der Parapsychologe grinste. »Also ganz aus«, sagte er und vollendete das begonnene Werk. »Und was ist mit dir?« fragte Nicole. »Gönnst du meinen treuen Dackelaugen überhaupt nichts Schönes?«
»Warte, ich hole dir einen Spiegel«, sagte er und erhob sich.
Irgendwo in der Nähe klingelte eines der Telefone. Die Apparate waren überall im Château Montagne verteilt,
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