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05 - Der Kardinal im Kreml

05 - Der Kardinal im Kreml

Titel: 05 - Der Kardinal im Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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der junge Mann trug zwei weitere Raketen für das Abschußgerät und besaß, wichtiger noch, die Augen eines Falken.
Der Bogenschütze suchte das gebirgige Gelände ab, besonders die Grate, und mit einem Ausdruck, der Jahrhunderte des Kampfes widerspiegelte. Ein ernster Mann, der Bogenschütze. Freundlich zwar, doch man sah ihn nur selten lächeln; er zeigte kein Interesse an einer neuen Frau; in seinem Leben war Platz für nur eine Leidenschaft.
«Da!» sagte Abdul leise und zeigte.
«Ich sehe ihn.»
Das Gefecht auf der Talsohle - eines von mehreren an diesem Tage
    hatte dreißig Minuten gedauert, und es war Zeit, daß die sowjetischen Soldaten Unterstützung von ihrem zwanzig Kilometer hinter der nächsten Bergkette gelegenen Hubschrauberstützpunkt bekamen. Die Sonne glitzerte kurz auf der verglasten Nase des Mi-24 Hind, der zehn Meilen entfernt eine Bergkette umflog. Höher, weiter in der Distanz und außer Schußweite kreiste eine zweimotorige Transportmaschine Antonow-26, beladen mit Beobachtungs- und Funkgeräten zur Koordination der Boden- und Luftoperationen. Der Blick des Bogenschützen aber folgte nur dem Mi-24 Hind, einem mit Raketen und Maschinenkanonen bewaffneten Kampfhubschrauber, der in diesem Augenblick von dem kreisenden Befehlsstandflugzeug mit Informationen versorgt wurde.
    Die Stinger war für die Russen eine herbe Überraschung gewesen, und bei ihrem Bemühen, mit der neuen Bedrohung zu Rande zu kommen, änderten sie ihre Lufttaktik täglich. Das Tal war tief, aber enger als die meisten. Wenn der Pilot die Mitstreiter des Bogenschützen treffen wollte, mußte er geradewegs in dieser Felskluft anfliegen. Er würde dabei Höhe halten, mindestens tausend Meter über der Talsohle für den Fall, daß die Schützen dort unten ein Stinger-Team bei sich hatten. Wie erwartet näherte sich der Pilot von Lee, damit der Wind sein Rotorgeräusch um wenige, womöglich entscheidende Sekunden verzögerte. Ein Funkgerät in der kreisenden Antonow war auf Frequenzen eingestellt, auf denen die Mudschaheddin sendeten, damit die Russen eine Warnung vor ihrem Herannahen abhören und auch Hinweise auf den Standort eines Raketenteams gewinnen konnten. Abdul hatte denn auch ein Funkgerät dabei, das er abgeschaltet in den Falten seiner Kleidung trug.
    Langsam hob der Bogenschütze das Abschußgerät und nahm den anfliegenden Hubschrauber ins Visier. Sein Daumen bewegte sich seitwärts zum Aktivierungsschalter, und er schmiegte den Backenknochen an den Leitholm. Augenblicklich belohnte ihn das schrille Zwitschern der Sucheinrichtung des Abschußgerätes. Der Pilot hatte die Lage abgeschätzt, seine Entscheidung getroffen. Zum ersten Zielanflug kam er auf der anderen Seite des Tales nach unten, knapp außerhalb der Reichweite der Rakete. Der Hind hatte die Nase gesenkt, und der Bordschütze, der vorne und leicht unter dem Piloten saß, nahm die Position der Guerillakämpfer ins Visier. Vom Talboden quoll Rauch auf: Die Sowjets markierten mit Mörsergranaten die Stellungen ihrer Gegner, und der Hubschrauber änderte leicht den Kurs. Es war fast soweit. Flammen fauchten aus den Raketenabschußrohren des Hubschraubers, und die erste Salve fegte dem Boden entgegen.
    Dann aber stieg eine andere Rauchschleppe auf. Der Hubschrauber wich mit einem ruckartigen Schlingern nach links aus, als die Rauchquelle gen Himmel jagte, zwar in sicherer Entfernung von dem Hind, aber doch ein eindeutiges Gefahrenzeichen. Der Bogenschütze packte die Lafette fester. Der Helikopter kam nun seitlich auf ihn zu, wurde im inneren Ring des Visiers größer. Das Geräusch an der Wange des Bogenschützen veränderte sich. Die Rakete hatte das Ziel nun erfaßt. Der Pilot des Hind beschloß, das Gebiet, aus dem das Lenkgeschoß auf ihn abgefeuert worden war, anzugreifen; zu diesem Zweck zog er die Maschine weiter nach links und drehte sie leicht. Als er die Felsen, aus denen die Rakete gekommen war, mißtrauisch musterte, kehrte er dem Bogenschützen ahnungslos die Austrittsdüse seines Triebwerks zu.
    Der Lenkflugkörper signalisierte dem Bogenschützen nun seine Bereitschaft, doch der blieb geduldig. Er versetzte sich in die Lage des Piloten und schätzte, daß er mit seinem Hubschrauber noch näher herangehen würde, ehe er auf die verhaßten Afghanen schoß. Und so kam es. Als der Hind nur noch tausend Meter entfernt war, holte der Bogenschütze tief Luft, stellte die Flugbahnüberhöhung ein und flüsterte ein kurzes Rachegebet. Der Abzug

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