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05 - Der Schatz im Silbersee

05 - Der Schatz im Silbersee

Titel: 05 - Der Schatz im Silbersee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ein Mann und wurde doch nur Tante genannt.“
    „Meinst du etwa Tante Droll?“ fragte ein andrer.
    „Ja, grad den und keinen andern meine ich. Bist du ihm etwa auch begegnet?“
    „Ja, einmal. Das war in Desmoines, im Gasthof, wo sein Erscheinen große Aufmerksamkeit erregte und sich alle über ihn lustig machten. Besonders einer war es, der ihm keine Ruhe ließ, bis Droll ihn bei den Hüften nahm und zum Fenster hinauswarf. Der Mann kam nicht wieder herein.“
    „Das traue ich der Tante gut und gern zu. Droll liebt einen Spaß und hat nichts dagegen, wenn man über ihn lacht; aber über einen gewissen Punkt hinaus darf man nicht gehen, sonst zeigt er die Zähne. Übrigens würde ich einen jeden, der ihn ernstlich beleidigen wollte, sofort niederschlagen.“
    „Du, Blenter? Warum?“
    „Darum, weil ich ihm mein Leben verdanke. Ich bin mit ihm bei den Sioux gefangen gewesen. Ich sage euch, daß ich damals gewiß und wirklich von ihnen in die ewigen Jagdgründe geschickt worden wäre. Ich bin nicht der Mann, der sich vor drei oder fünf Indianern fürchtet; ich pflege auch nicht zu wimmern, wenn es mir einmal verkehrt geht; damals aber war keine Spur von Hoffnung mehr vorhanden, und ich wußte wahrhaftig keinen Ausweg. Dieser Droll aber ist ein Pfiffikus sondergleichen; er hat die Roten so eingeseift, daß sie nicht mehr aus den Augen sehen konnten. Wir entkamen.“
    „Wie war das? Wie ging das zu? Erzähle, erzähle!“
    „Wenn es dir recht ist, werde ich lieber den Mund halten. Es ist kein Vergnügen, eine Begebenheit zu berichten, bei welcher man keine rühmliche Rolle gespielt hat, sondern von den Roten übertölpelt wurde. Genug, daß ich dir sage, wenn ich heute hier sitze und mir den Rehbock schmecken lassen kann, so habe ich das nicht mir, sondern der Tante Droll zu danken.“
    „So muß die Tinte, in welcher du saßest, sehr tief und schwarz gewesen sein. Der alte Missouri-Blenter ist doch als ein Westmann bekannt, welcher gewiß die Tür findet, wenn überhaupt eine vorhanden ist.“
    „Damals aber habe ich sie nicht gefunden. Ich stand fast schon unter dem Marterpfahl.“
    „Wahrhaftig? Das ist freilich eine Situation, in welcher es wenig Aussicht auf Entkommen gibt. Eine verteufelte Erfindung, dieser Marterpfahl! Ich hasse die Kanaillen doppelt, wenn ich an dieses Wort denke.“
    „So weißt du nicht, was du tust und was du sagst. Wer die Indsmen haßt, der beurteilt sie falsch, der hat nicht darüber nachgedacht, was die Roten alles erduldet haben. Wenn jetzt jemand käme, um uns von hier zu vertreiben, was würdest du tun?“
    „Mich wehren, und sollte es sein oder mein Leben kosten.“
    „Und ist dieser Ort etwa dein Eigentum?“
    „Weiß ganz und gar nicht, wem er gehört; ich aber habe ihn gewiß nicht bezahlt.“
    „Nun, den Roten gehörte alles Land; es ist ihnen von uns genommen worden, und wenn sie sich wehren, wozu sie mehr Recht haben als du, so verurteilst du sie?“
    „Hm! Ist schon richtig, was du sagst: aber der Rote muß fort, muß aussterben; das ist ihm bestimmt.“
    „Ja, er stirbt aus, weil wir ihn morden. Es heißt, daß er nicht kulturfähig sei und darum verschwinden müsse. Die Kultur aber schießt man nicht wie eine Kugel nur so aus dem Lauf heraus; dazu gehört Zeit, viel Zeit; ich verstehe das nicht, aber ich meine, daß dazu sogar Jahrhunderte gehören. Gibt man aber etwa dem Roten Zeit? Schickst du einen sechsjährigen Boy in die Schule und schlägst ihm über den Kopf, wenn er nach einer Viertelstunde noch kein Professor geworden ist? Das tut man aber mit den Indsmen. Ich will sie nicht verteidigen, denn ich habe nichts davon; aber ich habe bei ihnen ebensoviel gute Menschen getroffen wie bei den Weißen, ja noch viel mehr. Wem habe denn grad ich es zu verdanken, daß ich nicht mein schönes Heim und meine Familie besitze, sondern als alter, grauer Kerl noch im Wilden Westen herumirren muß, den Roten oder den Weißen?“
    „Das kann doch ich nicht wissen. Du hast noch nie davon gesprochen.“
    „Weil ein richtiger Mann solche Sachen lieber in sich hinein vergräbt, als daß er von ihnen redet. Ich brauche nur noch einen, den letzten, der mir entkam und der von ihnen übriggeblieben ist, gerade der Anführer, der Allerschlimmste!“
    Der alte Mann sprach das knirschend aus, langsam, als ob er auf jedes Wort ein schweres Gewicht legen wolle. Das erhöhte die Aufmerksamkeit der andern; sie rückten näher zusammen und sahen ihn auffordernd an, ohne aber etwas

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