05 - Der Schatz im Silbersee
geschehen.“
Der Offizier horchte nach vorn, und da sich dort nichts hören ließ, beruhigte er sich. Er war überzeugt, daß der Rote sich geirrt habe.
Es verging eine lange, lange Zeit; da wurde er von dem Ausguck nach dem Bug gerufen.
„Sir“, sagte der Mann, „ich weiß nicht, woran es liegen mag, aber das Wasser kommt schnell höher; das Schiff sinkt.“
„Unsinn!“ lachte der Offizier.
„Kommt her und seht.“
Er blickte hinab, sagte nichts und eilte fort nach der Kajüte des Kapitäns. Nach zwei Minuten kam er mit diesem wieder auf das Deck. Sie hatten eine Laterne mit und leuchteten mit derselben über Bord. Eine zweite Laterne wurde geholt. Der Lieutenant stieg in die Hinter- und der Kapitän in die Vorderluke, um den Kielraum zu untersuchen. Die Tramps hatten sich von derselben entfernt. Nach schon kurzer Zeit kam er herauf und begab sich mit eiligen Schritten nach hinten zum Steuermann.
„Er will nicht Lärm schlagen“, flüsterte der Cornel den Seinen zu. „Aber paßt auf, daß der Steamer ans Ufer gehen wird!“
Er hatte recht. Die Matrosen und Arbeiter wurden heimlich geweckt, und das Schiff veränderte seine Richtung. Ohne einige Unruhe konnte das nicht geschehen; die Deckpassagiere erwachten, und einige Kajütenreisende kamen aus ihren Kabinen.
„Es ist nichts, Mesch'schurs; es hat keine Gefahr“, rief ihnen der Kapitän zu. „Wir haben etwas Wasser im Raum und müssen es auspumpen. Wir legen an, und wer Angst hat, kann einstweilen ans Ufer gehen.“
Er wollte beruhigend wirken; aber es fand das Gegenteil statt. Man schrie; man rief nach Rettungsgürteln; die Kabinen entleerten sich. Alles rannte durcheinander. Da fiel der Schein der Vorderlaterne auf das hohe Ufer. Das Schiff machte eine Wendung, daß es parallel zu demselben kam, und ließ den Anker fallen. Die beiden Landebrücken erwiesen sich als lang genug; sie wurden ausgelegt und die Ängstlichen drängten sich an das Land. Allen voran waren natürlich die Tramps, welche schnell im Dunkel der Nacht verschwanden.
An Bord geblieben waren außer den Schiffsleuten nur Old Firehand, Tom, Droll und der alte Bär. Der erstere war in den Raum gestiegen, um das Wasser zu sehen. Mit dem Licht in der Rechten und dem Bohrer in der Linken kam er wieder herauf und fragte den Kapitän, welcher das Herbeischaffen der Pumpen beaufsichtigt: „Sir, wo hat dieser Bohrer seinen Platz?“
„Dort im Werkzeugkasten“, antwortete ein Matrose. „Er lag am Nachmittag noch drin.“
„Jetzt lag er im Zwischendeck. Die Spitze hat sich an den Schiffsplatten umgebogen. Ich wette, daß das Schiff angebohrt worden ist.“
Man kann sich den Eindruck, den diese Worte hervorbrachten, denken. Es kam ein Neuer dazu. Der Ingenieur hatte vor allen Dingen Frau und Tochter ans Ufer gebracht; dann war er auf das Schiff zurückgekehrt, um seinen Anzug zu vervollständigen. Jetzt kam er aus seiner Kabine und rief, daß alle es hörten: „Ich bin bestohlen! Neuntausend Dollar. Man hat das Gazefenster zerschnitten und sie mir vom Tisch genommen!“
Und da rief der alte Bär noch lauter: „Ich wissen, Cornel hat gestohlen und Schiff angebohrt. Ich ihn sehen; aber Offizier nicht glauben. Fragen schwarzen Feuermann! Er trinken mit Cornel; er gehen fort in Salon und wischen Fenster; er kommen und trinken wieder; er sagen müssen alles.“
Sofort scharten sich der Kapitän, der Offizier, der Steuermann und die Deutschen um den Indianer und den Ingenieur, um sie genauer zu vernehmen. Da ertönte vom Land, unterhalb der Stelle, an welcher das Schiff lag, ein Schrei.
„Das sein junger Bär“, rief der Indianer. „Ich ihn nachgeschickt dem Cornel, welcher schnell ans Land; er sagen wird, wo Cornel sein.“
Und da kam der junge Bär in eiligstem Lauf über die Landebrücke gesprungen und rief, auf den Fluß deutend, welcher von den vielen inzwischen angebrannten Lichtern des Schiffes weit hinaus erleuchtet wurde: „Dort rudern hinaus! Ich nicht gleich finden Cornel, dann aber sehen großes Boot, welches haben abgeschnitten hinten und hinein, um hinüber ans andre Ufer.“
Jetzt war die Hauptsache, wenn auch nicht alles klar. Man sah das entfliehende Boot. Die Tramps jubelten und schrien höhnisch herüber; die Schiffsleute und ein großer Teil der Passagiere antworteten ihnen wütend. In der allgemeinen Aufregung achtete man nicht auf die Indianer, welche verschwunden waren. Endlich gelang es der mächtigen Stimme Old Firehands, Ruhe herzustellen, und da
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