05 - komplett
sehr deutlich sehen konnte. Doch schließlich nickte sie zufrieden und lehnte sich wieder an seine Schulter. Plötzlich machte ihr alles so viel Mühe. Sie schloss die Augen, spürte aber noch, wie Jack sie erneut in den Arm nahm.
„Ich will Ihnen nur helfen, Deforge zu bekämpfen“, sagte er.
Sie spürte seinen Atem an ihrer Schläfe. Hier in seinen Armen kam es ihr so vor, als könnte Sir Ronald ihr nichts anhaben. Sie machte eine wegwerfende Handbewegung.
„Mit dem werde ich schon fertig.“
„Er ist ein gefährlicher Mann, meine Liebe.“
„Nur für Sie.“ Deforge würde ihr nichts tun, doch er drohte, Jack zu töten. Das musste sie verhindern. Sie konnte ihn beschützen, so wie sie auch immer Tony und Alex beschützt hatte. Und jetzt wusste sie, dass Jack ihr genauso teuer war wie die beiden, wenn nicht noch mehr. Sie legte die Hand auf seine Brust. „Alex sagt, ich solle Ihnen erlauben, uns zu helfen, aber ich kann es nicht zulassen.“
„Warum nicht?“
Müdigkeit drohte sie zu übermannen. Warum hörte er nur nicht auf, ihr Fragen zu stellen? „Weil Deforge Sie töten könnte. Außerdem könnten Sie die Wahrheit entdecken.“
„Welche Wahrheit?“
Sie schüttelte den Kopf. „Oh nein, ich lasse mich nicht von Ihnen überlisten.“
Selbst in diesem übermüdeten Zustand wusste sie, dass sie ihm nichts verraten durfte. Er war viel zu gut, zu ehrenhaft. Er würde sie für immer verachten, wenn er wüsste, wie sehr sie alle getäuscht hatte. Und er würde sich gegen den armen Alex wenden. Sie seufzte.
„Armer Alex.“
„Warum ‚armer Alex‘?“, fragte Jack.
Hatte sie es laut ausgesprochen? Lieber Himmel, sie hatte zu viel Wein getrunken und musste besser achtgeben! Sie durfte Jack nichts sagen. Und er durfte sich unter keinen Umständen mit Sir Ronald anlegen.
Ein leises Schluchzen entrang sich ihrer Kehle, und Jack drückte sie fester an sich.
„Eloise? Was bekümmert Sie so?“
Sie war schon halb im Schlaf. Der letzte Gedanke galt ihrer größten Sorge – sie musste die Menschen, die sie liebte, vor einem gewissenlosen Schurken in Schutz nehmen. Als seine Frau würde sie das tun können.
„Warum sagten Sie ‚armer Alex‘?“, wiederholte Jack.
„Ich werde ihn heiraten“, antwortete sie schlaftrunken, „und Sie nie wiedersehen.“
„Nein, zum Henker!“, rief Jack und setzte sich auf.
Eloise rührte sich nicht. Sie war fest eingeschlafen. Zutiefst beunruhigt lehnte er sich wieder zurück und drückte sie an sich. Sie wollte Mortimer heiraten. Jack fluchte leise. Sie waren kein Liebespaar, das wusste er nur allzu gut. Warum hatten sie also der ganzen Welt das genaue Gegenteil vorgemacht? Und warum wollten sie jetzt heiraten?
Es musste etwas mit diesem vermaledeiten Tagebuch zu tun haben. Worum konnte es darin nur gehen? Hochverrat, Spionage, Mord? Das konnte er sich zwar nicht vorstellen, aber selbst wenn es der Fall wäre, wie würde eine Heirat das Problem bereinigen? Deforge würde den Inhalt dennoch enthüllen. Eloise müsste England mit Mortimer verlassen.
Und er selbst würde sie nie wiedersehen. Unwillkürlich drückte er die schlafende Eloise an sich. Das konnte er nicht zulassen.
„Lieber Himmel, was für ein Durcheinander“, flüsterte er. Sie war ihm ein Rätsel. Was konnte es sein, das sie ihm nicht zu sagen wagte? Plötzlich erinnerte er sich an Alex’
Worte: Die meiste Zeit war sie damit beschäftigt, Tony und mich vor den Folgen unserer haarsträubenden Streiche zu retten.
Vielleicht war sie doch unschuldig. Vielleicht versuchte sie nur wieder, andere zu schützen. Jack seufzte noch einmal. Vermutungen nützten ihm nichts. In all diesem Wirrwarr konnte er sich nur einer Sache sicher sein – Eloise gehörte zu ihm und durfte Alex Mortimer auf keinen Fall heiraten.
14. KAPITEL
Eloise saß am Frühstückstisch, den Kopf in die Hände gestützt, als Major Clifton angekündigt wurde. Bevor sie Noyes noch bitten konnte, sie zu verleugnen, kam Jack bereits herein. Sein wissender Blick ärgerte sie.
„Ich war nicht sicher, ob Sie bereits aufgestanden sind“, meinte er, kaum dass der Butler die Tür hinter sich schloss. Er bemerkte ihren unberührten Teller und lächelte.
„Mein Kopf birst gleich“, sagte Eloise verstimmt.
„Das tut mir sehr leid.“ Er setzte sich neben sie. „Nach meiner Erfahrung hilft es meist, gut zu frühstücken.“
„Ich bekomme keinen Bissen hinunter!“
Er bestrich eine Scheibe Toast mit Butter und reichte sie ihr.
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