05 - komplett
liegenden Garten hinunter.
Unverzüglich beschloss Charles, sich nicht zu erkennen zu geben, wenn sie ihn nicht selbst entdeckte. Er glaubte nicht, dass er sich beherrschen konnte, wenn er gezwungen war, sich mit ihr zu unterhalten. Zu stark waren seine Gefühle.
Sie drehte sich um und setzte sich auf die niedrige Mauer, offenbar ebenso ihren Gedanken nachhängend wie er kurz zuvor. Machtlos gegen das Verlangen, die Distanz zwischen ihnen zu verringern, trat er unwillkürlich einen Schritt auf sie zu, und sie sah auf.
Ihre Blicke trafen sich, verfingen sich einige atemberaubende Sekunden ineinander.
Die Augen unverwandt auf sie gerichtet, ging er zu ihr hinüber.
Das riss Beatrice aus ihrer Erstarrung. Sie sprang auf. „Lord Pelham ...“
„Charles“, erinnerte er sie.
„Bitte komm nicht näher. Wenn man mich mit dir hier draußen sieht ...“
Er blieb jedoch nicht stehen, sondern kam so nahe heran, dass nur noch wenige Zentimeter sie voneinander trennten. Wie in Trance umfasste er ihr Gesicht mit beiden Händen. Dann strich er mit einer Zärtlichkeit, die er nicht für möglich gehalten hätte, über ihren Nacken und vergrub die Hand in ihrem Haar. Mit der anderen Hand berührte er kurz ihren Mund, ehe er mit sanftem Druck ihre Lippen mit den seinen bedeckte.
Ihr Widerstand erstarb. Wie von selbst griffen ihre Hände, mit denen sie ihn zuvor noch hatte abwehren wollen, plötzlich nach seinen Rockaufschlägen, und sie zog ihn an sich. Sie wusste nicht genau, was sie wollte, einzig, dass in ihr das unwiderstehliche Verlangen loderte, sich an ihn zu schmiegen. Als sich ihre Lippen trafen, war es, als tanzten Tausende Feuerfunken durch ihren Körper.
Der Kuss war so zart und leicht wie das Flattern von Schmetterlingsflügeln und dennoch von solch großer Leidenschaft und Sinnlichkeit, wie Charles sie noch nie zuvor erfahren hatte. Die Lider geschlossen, erwiderte sie seinen Kuss, er spürte die weichen Rundungen ihres Körpers, schwelgte im süßen Duft ihres Haares ...
Voll sehnsüchtiger Begierde, den Kuss zu vertiefen, stöhnte Charles auf. Er strich mit der Fingerspitze sanft über ihren Mundwinkel und raunte: „Öffne den Mund, Beatrice.“
Stattdessen öffnete sie die Augen und sah ihn, wieder zu Sinnen kommend, an.
Einen Augenblick lang hatte er sie alles vergessen lassen: Zeit, Ort ... Fest drückte sie die Hände an seine Brust, bemüht, ihn von sich zu schieben. „Bitte Charles, wenn uns jemand sieht.“
Er gab sie indes nicht frei, sondern umfing sie und trug sie die Stufen hinunter in den Garten.
„Lass mich sofort herunter“, rief sie mit leicht zittriger Stimme.
„Du hast völlig recht, jemand könnte uns sehen“, raunte er ihr ins Ohr.
Die leichte Berührung seiner Lippen an ihrem Ohr sandte einen Schauer der Wonne durch ihren Körper. Er trug sie einige Schritte weiter zu einer großen Eiche, wo sie völlig im Schatten standen. Dort erst ließ er sie langsam zu Boden gleiten. Seine Hände ruhten auf ihren Schultern, weil er befürchtete, sie könne ihm davonlaufen.
„Charles, ich werde schreien, wenn du mich nicht gehen lässt.“ Ihre Stimme bebte noch immer. Sie hatte keine Angst vor ihm – sie wusste, dass er sie gehen lassen würde, wenn sie darauf bestand. Was ihr Angst machte, war vielmehr die Tatsache, dass sie gar nicht den Wunsch hegte, ihm zu widerstehen. Eine innere Stimme sagte ihr, sie würde es ewig bereuen, wenn sie nun ging. Sie wollte, dass er sich wieder an sie schmiegte, wollte seine warmen Lippen auf den ihren spüren.
Charles legte ihr den Finger auf den Mund. „Bitte nicht, ich möchte dich nur kosen.“
Beatrice blinzelte. Solche Worte hatte sie zuvor noch nie vernommen. Vor dieser Nacht war sie, von einigen keuschen Wangenküssen abgesehen, noch nie geküsst worden. Sie war sich nicht einmal sicher, was er mit „kosen“ meinte, aber die Möglichkeiten, die dieses Wort eröffnete, verursachten ihr ein Kribbeln im Bauch und ließen ihre Haut förmlich glühen.
Sie wusste, sie sollte gehen. Sie würde es gewiss bedauern, wenn sie blieb und ihm weitere Küsse gestattete. Die Erinnerung an diese Nacht war auf ewig in ihr Gedächtnis eingebrannt, und sie würde jeden zukünftigen Kuss eines anderen mit den seinen vergleichen. Dennoch verharrte sie und wartete darauf, was er als Nächstes tun würde.
Charles hätte am liebsten vor Freude gejubelt, als sie ihn mit verhangenem Blick erwartungsvoll ansah. Er hatte befürchtet, dass sie ihm davonlaufen
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