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051 - Die gelbe Schlange

051 - Die gelbe Schlange

Titel: 051 - Die gelbe Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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nahm die beiden Mädchen mit in den elegant ausgestatteten Raum, schloß sorgfältig die Tür und berichtete dann die erstaunlichen Neuigkeiten. Zu seiner nicht geringen Verwunderung hüllten sich seine Töchter in Schweigen. Mabel steckte sich ihre unvermeidliche Zigarette an, tat ein paar lange Züge, klopfte die Asche auf den kostbaren Teppich, wechselte einen Blick mit ihrer Schwester und sagte gedehnt:
    »Für dich, Vater, ist das alles ja sehr schön, aber was haben wir denn davon?«
    »Was ihr davon habt?« rief ihr Vater verblüfft. »Das ist doch ganz klar. Dieser Mann bekommt doch den dritten Teil des Riesenvermögens... «
    »Aber wieviel von diesem Drittel springt für uns dabei heraus?« fragte Letty, die jüngere der beiden Schwestern. »Doch ganz abgesehen davon - wer ist denn dieser Mann? Mit all dem Geld könnten wir eine ganz andere Partie machen, als ausgerechnet den Geschäftsführer einer Mine heiraten.«
    Stephen Narth fand keine Worte.
    Das Schweigen wurde von Mabel unterbrochen.
    »Natürlich müssen wir alles noch mit dir besprechen und zu einer Regelung kommen«, überlegte sie laut. »Aber dieser alte Herr scheint sich einzubilden, daß es für ein Mädchen nur darauf ankommt, daß ihr Mann Geld hat. Mir genügt das noch lange nicht!«
    Stephen Narth lief es kalt den Rücken herunter. Er hätte sich nicht träumen lassen, hier so heftigen Widerstand zu finden.
    »Aber begreift ihr denn nicht, daß wir nichts, aber auch gar nichts bekommen, wenn keine von euch diesen Mann heiratet? Natürlich sollt ihr euch die Sache überlegen - aber ihr könnt doch eine so glänzende Partie nicht ausschlagen!«
    »Wieviel hinterläßt Joe Bray denn eigentlich?« fragte die praktische Mabel. »Das ist doch der springende Punkt. Ich gestehe ganz offen, ich denke nicht daran, die Katze im Sack zu kaufen; und außerdem - wie wird unsere gesellschaftliche Position sein? Wahrscheinlich müßten wir doch nach China gehen und in irgendeinem erbärmlichen Nest hausen.«
    Sie saß auf der Tischkante, hatte die Beine übereinandergeschlagen und wippte mit den Fußspitzen. In dieser Haltung erinnerte sie Stephen Narth an eine Bardame, die er in seiner frühen Jugend gekannt hatte. Irgend etwas stimmte in Mabels Erscheinung nicht, und das wurde auch nicht ausgeglichen durch ihre kurzen Röcke und ihren wirklich hübschen Kopf mit dem kurzgeschnittenen Haar.
    »Ich habe genug mitgemacht mit Sparen und Knausern«, fuhr seine älteste Tochter fort. »Und ich will dir ganz ehrlich sagen, daß du bei dieser Angelegenheit nicht auf mich zählen kannst.«
    »Auf mich ebensowenig«, schloß sich Letty an. »Mabel hat ganz recht. Als Frau dieses Menschen würden wir eine erbärmliche Rolle spielen.«
    »Er würde euch sicher gut behandeln.« Stephen Narth versuchte noch einmal, sie umzustimmen. Aber er fand kein Entgegenkommen.
    Plötzlich sprang Mabel vom Tisch. Ihre Augen funkelten.
    »Ich weiß einen Ausweg! - Das Aschenbrödel!«
    »Das Aschenbrödel?« fragte er mit gerunzelter Stirn.
    »Aber ja! Joan natürlich!« rief sie aus. »Lies doch den Brief noch einmal!«
    Alle drei durchflogen atemlos das Schreiben, und als sie fast zu Ende gekommen waren, jubelte Letty laut auf.
    »Natürlich Joan! Warum sollte sie ihn denn nicht nehmen? Das ist doch eine großartige Sache - sonst hat sie überhaupt keine Heiratschancen. Und wenn du reich wirst, ist sie hier sowieso überflüssig. Weiß der Himmel, was wir mit ihr anfangen sollten. «
    »Joan!« An sie hatte Narth überhaupt nicht gedacht. Zum viertenmal las er den Brief Wort für Wort. Die Mädchen hatten recht, Joan erfüllte alle Bedingungen Joe Brays. Sie war ein Mitglied der Familie und ihre Mutter war eine geborene Narth. Bevor er noch den Brief aus der Hand legte, hatte Letty schon nach dem Diener geläutet.
    »Sagen Sie Miss Bray, daß sie herkommen möchte, Palmer«, befahl sie.
    Drei Minuten später trat das Mädchen ein - das Opfer, mit dem die Familie Narth die Schicksalsgötter bestechen wollte.

4
    Joan Bray war einundzwanzig Jahre, sah aber viel jünger aus. Sie war schlank - Letty fand sie mager, aber das war übertrieben. Die Narths waren eher rundlich und etwas phlegmatisch, Joan dagegen war graziös und lebhaft, und jede ihrer Bewegungen war bestimmt und bewußt. Wenn sie ruhig dasaß, hatte sie die Haltung einer Aristokratin (sie weiß immer, wo sie ihre Hände hintun soll, gab Letty widerwillig zu), und wenn sie sich bewegte, geschah das in der

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