051 - Die gelbe Schlange
und senkten sich die Riemen. »Das Schiff sinkt!« schrie Joe entsetzt. Er sprach die Wahrheit.
Ein halber Zentner Dynamit hatte nicht nur ein riesiges Loch durch die Decks geschlagen, sondern auch die großen Munitionsvorräte explodieren lassen, die der Dampfer als Fracht führte. Major Spedwell hatte das Uhrwerk des Zeitzünders so eingestellt, daß die Sprengladung sechsundzwanzig Stunden nach Auslaufen des Schiffes in die Luft gehen mußte. Die ›Umveli‹ hing stark nach der einen Seite über, es sah aus, als wollte sie todmüde umsinken. Dichter Rauch qualmte aus allen Luken, und Flammen züngelten aus dem Schiffsrumpf. Plötzlich ein wildes Durcheinander von Menschen nach den Booten.
In ihrer Bestürzung hatten die Geretteten zu rudern aufgehört und stützten sich auf die Riemen. Ihre. Augen hafteten wie gebannt auf dem grausigen Schauspiel.
Doch der Zahlmeister schrie eine Warnung: »Nur weg von dem Schiff, so weit wie möglich!«
Gleich darauf kam eine dritte Explosion. Die ›Umveli‹ brach in sich zusammen. Ihr zackig aufgerissener Rumpf versank in einem wildaufschäumenden ungeheuren Wasserwirbel.
Nur vier Boote waren auf der Wasserfläche zu sehen, die Kurs auf die Flüchtenden nahmen.
»Rudern!« schrie der Kapitän, und wieder griffen sie in die Riemen und ihre Anstrengungen führten zum Erfolg. Als Clifford sich umsah, erblickte er steuerbords eine schwarze Rauchfahne und konnte im Morgengrauen ein langes graues Schiff erkennen.
Die Flüchtenden erreichten den britischen Zerstörer ›Sunbright‹ fünfundzwanzig Minuten eher, bevor der Rest einer vor Entsetzen fast wahnsinnigen Besatzung am Fallreep anlegte. Die übriggebliebenen Männer der ›Umveli‹ warfen ihre Gewehre ins Wasser und ergaben sich auf Gnade und Ungnade.
Fing Su war nicht unter ihnen, und als Clifford einen der zitternden Offiziere nach ihm fragte, erfuhr er das Schicksal des ›Kaisers‹ in wenigen, abgerissenen Worten.
»Fing Su... Ich sah seinen Kopf... dann seinen Körper... in Stücke gerissen...«
38
Acht Monate später führte Mr. Joe Bray seine junge Frau in den Palast auf dem Hügel oberhalb Siangtans. Im Heiratsregister stand ›Joseph Henry Bray, Junggeselle, 51 Jahre‹.
»Ich möchte darauf hinweisen«, hatte Clifford anzüglich gesagt, »daß falsche Angaben im Heiratsregister mit Zuchthaus bestraft werden.«
Clifford blieb in Europa, und Joe Bray erklärte Mabel den Grund hierfür.
»Meine jugendliche Erscheinung läßt ihn älter aussehen.« Mabel befand sich in völligem Einklang mit ihrem Mann, denn während ihrer Flitterwochen in Paris hatte sie die meiste Zeit damit verbracht, in der Rue de la Paix wundervolle Kleider und so kostbaren Schmuck zu kaufen, wie ihn nur ein vielfacher Millionär der geliebten Frau zu Füßen legen kann.
»Der Unterschied zwischen den beiden und uns«, Joe schmunzelte selbstgefällig und nahm einen kräftigen Schluck Whisky, »der Unterschied ist eben, daß wir aus Liebe geheiratet haben, Mabel. Aber Cliff, na, ich weiß nicht recht, wie ich es ausdrücken soll...«
»Lynne hätte Joan niemals geheiratet, wenn du nicht ausdrücklich darauf bestanden hättest«, meinte Mabel ein wenig von oben herab. »Ich hoffe nur, Joan wird glücklich werden. Ich habe zwar meine Bedenken, aber ich hoffe es wenigstens.«
Mabel kam also nach Siangtan und wurde von der europäischen Kolonie dieser schönen Stadt mit all dem Pomp empfangen, wie er jemand zukam, der in so engen Beziehungen zur Yünnan-Gesellschaft stand. Und seltsamerweise gefiel es Mabel in Siangtan ausgezeichnet, denn gewiß war es besser, eine bedeutende Persönlichkeit in dieser chinesischen Stadt, als ein Niemand in Sunningdale zu sein.
Eines Tages kam ein Brief von Joan, aus dem hervorging, daß sie über alle Maßen glücklich war. Mabel krauste ein wenig die Nase.
»Die Linie wird fortgeführt? Was kann sie damit meinen?« fragte sie, aber sie ahnte schon etwas.
Joe hustete verlegen und gab ihr Auskunft.
»Das war gleichfalls meine Idee«, fügte er bescheiden hinzu.
Weitere Kostenlose Bücher