0528 - Auftritt eines Toten
nie vergessen, wo ich herkomme.«
»Ja, aber…«
»Kein Aber, ich danke dir, daß du mich geführt hast. Sieh zu, daß du keinem Söldner mehr in die Arme läufst. Ich muß mich endlich um Ariol Le Duc kümmern.«
»Er wird dich bestimmt mit anderen Waffen erwarten. Er ist gefährlich, er ist…«
Ich streichelte ihre Wange, als ihr die Tränen in den Augen schimmerten. »Es ist nicht schlimm, Mädchen, überhaupt nicht schlimm. Verstehst du das?«
»Klar.« Sie schluckte und nickte zugleich. »Manchmal hat man eben Pech.«
»Alles Gute.«
Jeder von uns wußte, daß es ein Abschied war. Doch keiner sprach darüber. Sie nahm einen anderen Weg, und ich schaute ihr noch nach, bis sie der dichte Wald verschluckt hatte.
Meine beiden Freunde, die Söldner, waren aus dem Verkehr gezogen worden. Bis sie sich wieder erholt hatten, wollte ich Ariol Le Duc bereits vergessen haben.
Ich konnte mir nur schlecht vorstellen, daß er sich so leicht geschlagen gab. Typen wie dieser Schloßherr hielten immer ihre Trümpfe in der Hinterhand.
Mit eckig wirkenden Bewegungen kletterte ich den Steilhang hoch und geriet wieder in das Restlicht der Feuer.
Unter den Flammen knackte das Holz mit explosionsartigen Geräuschen. Funken sprühten in die langen Zungen hinein. Sie zogen ihre Bahn wie kleine Kometen.
Wo steckte Le Duc?
Vorhin hatte er noch nahe der Feuer gestanden und seinen Triumph genießen wollen. Jetzt war er verschwunden. Hatte er eingesehen, daß ich ihm möglicherweise überlegen war?
Nein, das kaum. Ich rechnete fest damit, daß Ariol Le Duc dabei war, eine neue Teufelei auszuhecken.
Die Menschen aus dem Ort hatten sich nicht getraut, wieder zu verschwinden. Sie hielten sich im Hintergrund auf. Manchmal wirkten ihre Gesichter wie blasse Gemälde.
Ich schnappte mir einen von ihnen. Es war ein jüngerer Mann mit breiten, kantigen Schultern. »Hören Sie, Monsieur. Wo ist Le Duc hingelaufen? Wo hat er sich verborgen?«
»Ich… ich weiß es nicht.«
»Du mußt doch gesehen haben, wohin er gelaufen ist.«
»Nein, nein…«
Der junge Mann log, das stand fest. Wahrscheinlich war seine Angst vor Le Duc zu groß. Er hob beide Hände als Deckung vor sein Gesicht, als ich mich etwas zu heftig bewegte.
»Keine Sorge, ich will dich nicht schlagen. Ist Le Duc denn noch in der Nähe?«
»Vielleicht…«
»Merci.« Ich ließ den Informanten stehen und fand meinen Weg zwischen zwei Feuern. Wo ich gelegen hatte und sterben sollte, blieb ich stehen. Die Söldner waren noch nicht verschwunden. Sie hockten am Boden und schauten mich grimmig an, taten aber nichts, um mich zu attackieren. Wenn mir der Junge schon keine Antwort gegeben hatte, wollte ich es bei einem der Söldner versuchen, die mich bestimmt noch in »guter« Erinnerung hatten. Ich riß einen der bärtigen Kerle auf die Füße. Es war der, der mich so liebend gern aufgespießt hätte.
»Wo ist Le Duc?«
Der Mann grinste. Vielleicht kam es mir auch nur so vor, weil er den Mund verzogen hatte. »Weg.« sagte er. »Er ist einfach weggegangen.«
»Wohin?«
»In das Refugium!«
Ich horchte auf. Das Refugium also. Wieder ein neuer Begriff, der mich nachdenklich machte. Scharf blickte ich in sein Gesicht. Es war feucht, der Wind spielte mit seinen Haaren, aus denen mir noch der Geruch des Feuers entgegenströmte.
»Erkläre das genauer!«
Der Söldner wollte erst nicht mit der Antwort herausrücken. Ich mußte ihn schon durchschütteln, um ihn auf die richtige Bahn zu bringen. »Was hat es zu bedeuten?«
»Es ist ein Ort, den nur er betreten darf. Da wohnt der große Geist, der Geist.«
»Welcher?«
»Man sagt, daß die Hölle in diesem Refugium ihre Spuren hinterlassen hat. Es ist ein Stützpunkt der Hölle, und dort wird sich der Teufel zeigen.«
»Warst du schon da?«
Hätte er gekonnt, wäre er zurückgezuckt. So aber blieb er in meinem Griff hängen. »Nein, ich gehe nicht dorthin. Keiner geht dort hin. Da erwachen die Toten zum Leben. Du hast sie gesehen, es… es waren Wiedergänger, lebendige Tote. Einen größeren Schrecken kann auch die Hölle nicht verbreiten.«
»Wer erweckt die Leichen? Le Duc?«
»Das weiß keiner von uns. Wir haben ihm die Toten besorgt, er hat sie selbst mitgenommen.«
»Und wie komme ich dorthin?«
»Du… du mußt durch die Lücke gehen, wo die Mauern fast zusammengewachsen sind.«
»Und dann?«
Er winkte mit beiden Händen ab. »Um alles in der Welt, nein! Ich kann dir nichts sagen. Keiner von uns hat bisher das
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