0539 - Drachenhölle Baton Rouge
mit hinübergehuscht… [9]
Später war diese Beobachtung in Vergessenheit geraten. Neue Erlebnisse verdrängten die Gedanken an das Damals. Außerdem war in der Folgezeit nichts geschehen, was einem eventuell zum Silbermond entkommenen Meegh-Spider zuzuschreiben gewesen wäre.
Auch bei den noch nicht lange zurückliegenden Erscheinungen, als sich imaginäre Zeitlinien überlappten und der längst zerstörte Tempel der Kälte wieder erschien, war keine Verbindung zu den Meeghs zu sehen. Daran glaubte Zamorra auch jetzt noch nicht.
Aber dieses seltsame schwarze Licht aus dem Weltentor gab ihm zu denken. Vielleicht waren Raum und Zeit einmal mehr in Aufruhr geraten.
Ein weiterer triftiger Grund, sich diesen Rissen im Raum-Zeitgefüge nicht anzuvertrauen.
Zamorra besorgte sich wieder ein Taxi und ließ sich ins Hafenviertel zurück fahren. Vielleicht hatte Nicole ja inzwischen mehr herausgefunden…
***
»Wer… wer bist du?« flüsterte Angelique heiser.
Sie starrte das riesige, unheimliche Schuppenwesen an, es war seit seinem Auftauchen in ihrer Wohnung um mindestens das Doppelte gewachsen. Ein paar Kleidungsfetzen hingen an dem Echsenkörper, der in seiner Form durchaus menschenähnlich war. Zwei Arme, zwei Beine, zehn Finger und zehn Zehen. Der Kopf ähnelte dem eines Leguans. Aber riesengroß ragte der Koloß vor Angelique auf, mindestens dreimal so groß wie ein normal gewachsener Mensch.
Wenn der Unheimliche sich bewegte, zitterte der Boden unter dem Gewicht seiner Körpermasse. Funken sprühten aus Nüstern und Maul, und hin und wieder atmete er einen Feuerstrahl aus.
Angelique rechnete nicht mit einer Antwort. Um so überraschter war sie, als der Unheimliche plötzlich zu ihr sprach. Sie konnte ihn sogar verstehen, obgleich die Laute abgehackt und knarrend kamen, von Knack- und Schnalzgeräuschen untermalt.
»Weißt du nicht mehr, wer ich bin? Hast du es vergessen? Das kann nicht sein…«
Sie schluckte.
Der Drachenmann hatte sie in einem rasenden Lauftempo zum Hafenbecken gebracht, war dann mit ihr geschwommen. Trotz aller Bemühungen hatte sie es nicht geschafft, sich aus seinem Griff zu befreien. Sie wäre fast ertrunken, doch gerade noch rechtzeitig war der Unheimliche wieder an Land zurückgekehrt.
Jetzt befanden sie sich außerhalb der Stadt. Angelique wußte ungefähr, wo sie waren; in einem Wildnisbereich, den kaum einmal ein Mensch betrat. Der Boden war sumpfig, das Unterholz dicht. Es wimmelte von Moskitos. Innerhalb weniger Minuten war Angelique mindestens drei Dutzend Male gestochen worden. Wenn es so weiterging, brauchte sie bald einen Arzt. Immer mehr von dem Stachelgift, das für den gemeinen, immer stärker werdenden Juckreiz sorgte, geriet in ihre Blutbahn.
Die nasse Kleidung klebte schwer an ihrem Körper. Auch wenn es einigermaßen warm war, war sie sicher, sich zu erkälten. Sie hatte, während der Drachenmann mit ihr durch das Gelände gerannt war, genug Wind abbekommen, um einer ganzen Elefantenherde einen Schnupfen zu bescheren. Hin und wieder mußte sie jetzt niesen, ein Geräusch, das der Drachenmann jedesmal mit absolutem Unverständnis quittierte. Zumindest hatte es für Angelique so ausgesehen, wenn er sich ihr zuwandte.
Gerade so, als sei er äußerst besorgt um ihr Wohlergehen.
Daß er ihr jetzt geantwortet hatte, schockierte sie geradezu. Sie brauchte ein paar Sekunden, um das zu verarbeiten.
»Nein, ich weiß nicht, wer du bist«, sagte sie dann mit belegter Stimme. »Wer bist du? Warum hast du mich entführt?«
»Ich habe dich nicht entführt«, stieß der Gigant abgehackt hervor. »Ich habe gerettet. Dich gerettet. Warum nur kennst du mich nicht mehr?«
»Woher sollte ich dich kennen?« Es war verrückt. Sie war von dieser feuerspeienden Bestie entführt worden und unterhielt sich mit ihr wie mit einem Menschen!
»Aber du bist doch Rai«, krächzte der Drachenmann. »Meine geliebte Rai…«
***
Zorrn bewegte leicht die Ohrenspitzen. »Ich glaube, ich spüre etwas«, flüsterte er Astaroth zu. »Etwas, das uns nützlich sein könnte.«
Der Erzdämon verengte die Augen. Nach all den Jahrtausenden vermochte er die Fähigkeiten der Corr-Sippe, deren Oberhaupt Zorrn war, immer noch nicht völlig einzuschätzen. Die Corr hatten allerdings auch immer dafür gesorgt, daß niemand zuviel über sie erfuhr. Vielleicht, überlegte Astaroth, rührte daher die Legende ihrer Macht. Sie besaßen innerhalb der Schwarzen Familien einen erheblichen Einfluß, und im Fall
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