Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
056 - Zielort: Kratersee

056 - Zielort: Kratersee

Titel: 056 - Zielort: Kratersee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
Vom Netzwerk:
und die seitdem auf seinem Schreibtisch stand. »Das… hm… stammt übrigens aus dem Nordwesten… ein…« Seine Hände bewegten sich unruhig, während er nach dem richtigen Wort suchte. »… Fruchtbarkeitssymbol… wie Sie an der… äh… phall… aber das wissen Sie wohl schon… Sir.«
    Crow spürte, wie Kopfschmerzen hinter seinen Schläfen einsetzten. Er brauchte einen Moment, um sich zu sammeln.
    »Dr. Stuart«, sagte er dann zu Ncombe, »ist der vielleicht beste Linguist und Anthropologe, über den wir verfügen. Er wird uns bei der Auswahl der Kandidaten unterstützen.«
    Sie nickte mit vorgetäuschtem Interesse. »Dann haben Sie sich oft unter den Barb… den neuen Menschen aufgehalten, Doktor?«
    »O nein, keineswegs.« Stuart wirkte über ihre Annahme so schockiert, als hätte sie ihm gerade unterstellt, abartige Neigungen zu haben. »Tatsächlich… äh… habe ich den… hm… Bunker noch nie verlassen. Sehen Sie, hm, ich lerne die Theorie so viel… äh… besser als die Praxis… Man könnte auch, äh, behaupten, also in gewisser Weise, dass mir die Praxis, der, hm, tägliche Umgang nicht wirklich liegt, verstehen Sie?«
    Nein, dachte Crow und las in Ncombes Gesichtsausdruck das gleiche Unverständnis. Laut sagte er: »Ich danke Ihnen, Doktor. Wir sehen uns dann in zwei Stunden am Weißen Haus.«
    »Natürlich, General.«
    Er wartete, bis Stuart das Büro verlassen hatte, dann zeigte er auf die kleine Statue.
    »Werfen Sie das weg, Sergeant.«
    ***
    Vier Wochen zuvor
    Phil Hollyday wusste, was Kälte bedeutete. Kälte, das war das Eis, das sich in seinem Bart sammelte, der Schnee, der auf seiner Haut brannte und der Wind, der die Tränen auf seinen Wangen gefror. Kälte bedeutete, mit blau gefrorenen Zehen weiter zu humpeln, die Finger zu steifen Klauen verkrümmt.
    Er kannte die Kälte, und er kannte den Tod.
    Im Morgengrauen war er erwacht, zitternd und zusammengerollt neben den erkalteten Trümmern des Gleiters . Gegen Mittag hatte es zu schneien begonnen, und seitdem tobte der Sturm ununterbrochen. Phil wusste nicht, ob die Nacht wieder hereingebrochen war oder ob der Schnee die Sonne verdunkelte.
    Längst hatte er den Überblick verloren, hatte keine Ahnung, in we lche Richtung er ging und aus welcher er gekommen war. Die Hoffnung, irgendwo auf eine schützende Höhle oder sogar eine menschliche Ansiedlung zu stoßen, hatte er längst aufgegeben. Der Wald erschien ihm wie ein Moloch, der ihn längst verschlungen hatte.
    »Wir sind tot, Dave«, flüsterte er mit aufgesprungenen Lippen. »Wir gehen noch, dabei sind wir schon tot.«
    Sein nackter Fuß prallte gegen etwas Hartes. Phil schrie auf, stolperte und schlug schwer in den Schnee. Mit einer Hand tastete er nach seinen Zehen, mit der anderen nach dem Hindernis, das ihn zu Fall gebracht hatte. Er konnte nicht sagen, was ihn mehr schmerzte: sein rechter Fuß oder die Tatsache, dass er ein Stück des Gleiters in den Fingern hielt.
    »Wir sind im Kreis gegangen. Dave, hörst du mich?! Wir sind in einem verdammten Kreis gegangen!«
    Er begann zu lachen, dann zu schluchzen und schließlich zu weinen. Der Wind brannte in seinen Augen, also presste er die Hände vor sein Gesicht und wärmte sie mit seinem Atem. Sein Körper zitterte wie in einem endlosen Krampf.
    Irgendwann ließ das Heulen des Sturms nach. Eine wohlige Wärme breitete sich in Phils Gliedmaßen aus. Die Schmerzen und der Hunger waren verschwunden, nur die Müdigkeit hinderte ihn daran aufzustehen und seinen Weg fortzusetzen.
    »Gleich, Dave, gleich gehen wir weiter.«
    »Mach die Augen auf.«
    Widerwillig folgte Phil dem Befehl. Für einen Augenblick wurde ihm schwindlig, dann begriff er, dass er bereits stand. Irritiert sah er nach unten und wich erschrocken einen Schritt zurück.
    Vor ihm lag ein bärtiger Mann mit vernarbten Wangen. Der Schnee bedeckte ihn halb, so wie man Erde über einen Toten schaufelte. Aber er war nicht tot, sondern blinzelte ihn an.
    »Komm zurück, Phil«, sagte Dave McKenzie.
    »Nein. Das ist dein Körper. Ich will ihn nicht mehr.« Er betrachtete sich in dem Spiegel, aus dem seine Handfläche plötzlich bestand. Sein eigenes Gesicht starrte ihm entgegen, jung und bartlos, so wie es vor der Operation gewesen war.
    Phil hielt Dave den Spiegel entgegen. »Siehst du? Ich bin wieder ich. Das Fremde ist weg. Du bist weg.«
    Der Schnee bedeckte Daves Gesicht wie ein Schleier. Seine Stimme war weit entfernt und leise. »Du stirbst, und mit dir sterbe auch

Weitere Kostenlose Bücher