056 - Zielort: Kratersee
und dachte an das Medikamentenröhrc hen in seiner Tasche. Kaum hatte er den Gedanken formuliert, da ging auch schon ein Wachmann mit dem Kleidungshaufen auf den Armen an den Sklaven vorbei und warf ihn in die große Feuerstelle.
»Shiit«, flüsterte Phil. Zwar hatte er die Tabletten seit Tagen nicht mehr gebraucht, aber sie waren zu etwas wie einem Amulett geworden, das ihn vor dem bösen Geist Dave McKenzies schützte.
Verstohlen sah er sich um. Die Wachen zeigten keine große Aufmerksamkeit und die Händler ließen sich auf der anderen Seite der Ha lle das Frühstück servieren. Phil tastete nach seiner Tasche und zog das Röhrchen vorsichtig hinaus.
»Was tust du da?«, flüsterte Mykel hinter ihm.
»Da drin ist ein Zauber, den ich brauche. Gib mir ein Wenig Deckung, okee?«
Das Röhrchen verschwand in seiner geschlossenen Faust. Die Ketten klirrten, als Phil die Hände hob und sich mit links am Kopf kratzte. Die rechte Hand schwebte vor seinem Mund.
»Wache!« Mykels Stimme. »Der Sklave vor mir hat einen Zauber!«
Innerhalb von Sekunden war Phil von Soldaten umr ingt, deren Anwesenheit er vorher noch nicht einmal bemerkt hatte. Er wurde zu Boden geworfen, riss die ganze Reihe mit. Jemand trat auf seine Faust. Seine Hand öffnete sich und das Röhrchen rollte über den Steinboden, wo es von fetten Fingern aufgehoben wurde.
»Soso«, sagte der Händler, als er den Deckel abgetrennt hatte und das Innere betrachtete. »Das sieht mir nicht nach einem Zauber aus, sondern nach Gift. Wolltest du dich umbringen, Sklave?«
Die Hände der Wachen rissen Philipp Hollyday hoch. Er schwie g.
»Da können wir ja froh sein, dass ein anderer Sklave dich vor dieser Dummheit bewahrt hat.« Der Händler trat neben den qualmenden Kleiderhaufen und warf das Röhrchen dazwischen. Phil spürte, wie seine Knie weich wurden.
»Herr«, sagte Mykel hinter ihm. »Ich war es, der die Dummheit entdeckt hat. Meint Ihr, Ihr könntet mich gleich als Haussklaven anpreisen? Ich möchte nicht zurück auf die Felder.«
»Wir werden sehen.«
Der Händler wandte sich ab. Ordnung kehrte in die Reihe der Sklaven zurück. Einer nach dem anderen trat durch die Tür, dem Markt entgegen. Phil folgte ihnen mit hängendem Kopf.
***
General Crow setzte sich auf den Rand seines Betts und zog den fast leeren Serumsbeutel aus seiner Brusttasche. Der nur Millimeter dicke Schlauch, der in einer Kanüle an seinem Hals endete, musste noch nicht ausgetauscht werden, das ertasteten seine Finger, ohne dass er hinsehen musste.
Crow hasste das Serum, so wie er alles hasste, was ihn einschränkte und an die Fehlerhaftigkeit seines eigenen Körpers erinnerte. Fünfhundert Jahre lang hatten seine Vorfahren unter der Erde gelebt, keimfrei und geschützt vor den Katastrophen, die sich an der Oberfläche abspielten. Sie hatten einen Teil der Zivilisation bewahrt, aber durch die Isolation hatte sich ihr Immunsystem zurückentwickelt, bis schließlich ein einfacher Schnupfen genügte, um sie umzubringen.
Er warf einen Blick auf das holografische Bild seiner Frau, das seit ihrem Tod vor einunddreißig Jahren auf dem Nachttisch stand.
Auch deshalb, dachte er, hasse ich Black…
Mr. Black, der Nationalheld. Mr. Black, der Klon des letzten US-Präsidenten, der aus dessen gefrorenen Genen entstanden war. Er und der Klon von Carl Spencer Davis, des ersten afroamerikanischen Vizepräsidenten, waren die Quelle des Serums. Der Leiter des Klonprojekts hatte den beiden damals in einem Anflug schrägen Humors die Namen Mr. Black und Mr. White gegeben.
Aus ihren tiefgekühlten Genen, die fünfhundert Jahre alte Informationen enthielten, hatten die Wissenschaftler ein Medikament gewonnen, das im Kö rper ein Immunsystem simulierte. Drei Monate hielt einer der flachen Beutel, bevor er ausgetauscht werden musste.
Alice hatte das Serum jedoch nicht mehr helfen können. Sie war zwei Wochen vor Fertigstellung an einer Lungenentzündung gestorben, und obwohl Crow wusste, dass Mr. Black und Mr. White nicht das Geringste dafür konnten, genoss er es, ihnen die Schuld zu geben. Er benötigte Gründe, um sie zu hassen, denn er hatte die beiden Männer einmal respektiert und sie zu seinen Freunden gezählt.
Aber das war längst vorbei, seit dem Tag, an dem seine Tochter Lynne kreidebleich und weinend in sein Büro gestürmt war und ihm von der Vergewaltigung erzählt hatte. Crow wusste bis heute nicht, weshalb White das getan hatte und warum Black ihn deckte, aber die Tat trieb die
Weitere Kostenlose Bücher