056 - Zielort: Kratersee
Ausweg. Der Gleiter schwebte unkontrolliert weiter, einem Waldstück entgegen, das er eigentlich hatte umfliegen wollen.
»Meinst du, das ist unsere Chance, Dave?«, fragte Phil. Mittlerweile hockte er auf dem Sitz und stützte sich mit der Hand an der kühlen Außenwand des Gleiters ab. Das Dröhnen der Motoren war zu m Fauchen geworden. Die Flugmaschine begann zu bocken wie ein ungezähmter Frekkeuscher.
Quälend langsam kam der Wald näher.
Phil sah bereits Buschwerk unter sich, aber noch keinen Baum, der seinen Fall bremsen konnte. Der Boden des Gleiters begann Blasen zu werfen. Dampfende Tropfen liefen an der Innenverkleidung nach unten. Der Sitz unter seinen Schuhsohlen wurde weich.
»Komm schon, du verdammte Drecksmaschine, nur noch ein paar Meter!«
Das war der Moment, in dem erste Funken über die Armaturen zuckten. Zeitlupenhaft kippte der Gleiter zur Seite.
Phil sprang.
Ohne nachzudenken flankte er über die Außenwand des Gleiters hinweg, als wäre sie nichts weiter als ein Weidezaun. Für den Bruchteil einer Sekunde fiel er, dann prallte er gegen etwas. Knacken, Brechen, Knirschen - waren es Äste oder die eigenen Knochen? -, reißender Schmerz…
Dunkelheit.
***
»Habt Mitleid, Herr, zeigt Erbarmen!«
Es fiel Samtha leicht, ihrer Stimme einen verzweifelten Klang zu geben. Seit dem Morgengrauen hockte sie bereits am Straßenrand, die Hand den vorbeiziehenden Passanten entgegen gestreckt. Ihr Flehen wurde um sie herum hundertfach wiederholt, ausgestoßen, geschrien und gelallt von Bettlern, Krüppeln und Säufern. Dazwischen saßen ganze Bauernfamilien, die ihre Vorräte falsch eingeschätzt hatten und jetzt auf die Barmherzigkeit anderer angewiesen waren. Ihre Gesichter waren verstört, als könnten sie nicht fassen, in diese Lage geraten zu sein. »Hier, mein Kind. Das ist für dich.« Samtha sah auf, als sie den kühlen Druck eines Geldstücks auf ihrer Handfläche spürte. Eine alte, der Kleidung nach wohlhabende Frau lächelte ihr selbstgefällig zu und richtete sich wieder auf.
Das ist alles?!, wollte Samtha sie anschreien. Siehst du denn nicht, dass mein Sohn und ich hungern?!
Aber sie nic kte nur, senkte demütig den Blick und steckte die halbe Kupfermünze in ihre Tasche. Wer an dieser Straße bettelte, besaß nichts, noch nicht einmal Stolz.
Sie zog die Felle enger um ihren einjährigen Sohn Wyllem, den sie in einer Stoffschlinge vor dem Körper trug. Er gehörte zu den wenigen Kindern des Stammes, die bisher von dem schrecklichen Fieber verschont geblieben waren, und Samtha betete jeden Tag darum, dass ihre Gebete ihn auch weiter schützten.
»Wenn wir doch nur in die Stadt könnten«, nahm Yuli neben ihr das unterbrochene Gespräch wieder auf. »Dort gibt es wenigstens Arbeit.«
»Im Moment sind wir hier besser aufgehoben.« Samtha dachte an die Gerüchte über Verhaftungswellen und Erschießungskommandos, die man sich an der Straße erzählte. Seit ein Unbekannter versucht hatte, die grau gekleideten, unheimlichen Herren der Stadt in die Luft zu jagen, schienen die Nerven der Soldaten blank zu liegen. Selbst hier draußen vor den Stadttoren führten sie Razzien durch und verprügelten willkürlich Bettler.
»Du gibst zu viel auf dumme Gerüchte«, sagte Yuli. »Wenn du kein Rebell bist, hast du nichts von den Soldaten zu befürchten.«
Sie schien Samthas Zweifel zu bemerken, denn sie rückte näher heran und senkte die Stimme. »Außerdem werden sie die Einschränkungen bald lockern. Es fehlt an Arbeitskräften in der Stadt.«
»Woher weißt du das?«
Samtha sah den kurzen Moment der Scham, der über Yulis Gesicht huschte.
»Du hast doch nicht etwas mit einem von ihnen geschlafen?«, fragte sie.
»Er hat mit Bax dafür bezahlt.« Yulis Stimme klang trotzig. »Mit einer Mastacaad! So viel erbettelst du in einer Woche nicht. Und er hat geredet, hat mir von der Stadt erzählt. Wenn sie die Einschränkungen lockern, bringt er mich hinein und besorgt mir eine anständige Arbeit.«
Samtha widerspra ch nicht, auch wenn sie wusste, dass das eine Lüge war. Yuli wusste das zweifellos ebenfalls, denn sie hatte einige Jahre als Schiffshure gearbeitet und kannte die Versprechen, die Freier machten, um den Preis zu drücken.
»Weiß Ru'aley davon?«, fragte sie stattdessen.
Yuli hob die Schultern. »Nein, er würde es nicht verstehen.«
»Und was, glaubst du, passiert, wenn -«
Ein lauter heulender Ton ließ Samtha verstummen. Wie alle anderen entlang der Straße drehte auch sie
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