058 - Todesschwadron des Geister
vor. Er glaubte, es
schon mal gesehen zu haben, dachte aber nicht weiter darüber nach, sondern lief
den Deich hinab, ohne sich noch mal nach der Gestalt umzudrehen. Der heulende
Wind trieb ihn vorwärts, und er erreichte das Haus so rasch wie noch nie.
»Bernard!«
Er hörte die
Stimme, während er noch versuchte, die Haustür zu öffnen. Oben auf dem
Deichrücken tauchte die winkende Gestalt auf. Aber nicht sie hatte seinen Namen
gerufen.
»Bernard!«
Es war
Susann, die rief. Doch von woher kam ihre Stimme? Verzweifelt pochte er gegen
die Tür, während ihm ein Blick über die Schulter zeigte, daß die schauderhafte
Kreatur näherkam. Warum hatte er nicht daran gedacht, den Haustürschlüssel
einzustecken?
»Bernard!«
Er fühlte,
wie eine Hand nach seiner Schulter griff und schlug blind um sich. Dann
verschwammen die Tür, der Deich und der Himmel vor seinen Augen.
Vor ihm
tauchte Susanns Gesicht auf.
Er befand
sich im Bett. ..
Im Bett!
Es dauerte
einige Sekunden, bis ör sich dieser Tatsache vollends
bewußt geworden war. Es war alles nur ein Traum gewesen? Nach seinem ersten
Nachtmahr, in dem er sich selbst begegnet war, war er gar nicht aufgestanden
und zum Strand gegangen. Er hatte weitergeträumt!
»Alles in
Ordnung«, sagte er zu Susann. »Ich habe nur schlecht geträumt .«
Durch das
Fenster war bereits das Morgengrauen zu erkennen. Susann hielt ihn fest und
küßte ihn. »Dich bedrückt doch etwas, Schatz«, sagte sie. »Daher auch deine
Träume.«
Wellmann
schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Es ist eher so, daß mich diese Träume
allmählich beunruhigen .«
»Warum
sprichst du nicht mit mir darüber, Liebling ?« fragte
die hübsche, großgewachsene Blondine. Unter ihrem dünnen Nachthemd zeichneten
sich die Konturen ihres nackten Körpers ab.
»Es sind
Alpträume, das ist alles«, entgegnete Wellmann. Der Mittvierziger, Lehrer an
einem College, wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Du traust
mir nicht«, sagte Susann.
»Das ist
absurd. Wie kommst du auf diesen Gedanken ?«
»Weil du es
mir nicht erzählen willst .«
Warum verriet
er ihr nicht den Inhalt seiner Träume? Er kannte sie nun seit einem Monat, und
aus ihrer von Anfang an recht heißen Begegnung war eine dauerhafte
Liebesbeziehung geworden. Vom ersten Tag an hatte Susann ihn in ihren Bann
geschlagen. Kein Wunder, bei ihrem Aussehen, ihrer Figur und ihrer Intelligenz.
Aber sie hatte recht. Irgend etwas ging von ihr aus, das ihn zurückschrecken
ließ. Instinktiv ahnte er, daß sie von seinen Träume nichts wissen durfte. Er wußte nicht, warum dies so war, nur, daß es so war.
»Es ist alles
in Ordnung«, beharrte er. »Schlafen wir noch eine Stunde, ja ?«
Sie drückte
sich an ihn und begann, ihn leidenschaftlich zu küssen. Er fühlte ihren
weichen, jungen Körper und vergaß für die nächste halbe Stunde sein
unheimliches Traumerlebnis.
●
Später lag er
wach und lauschte auf Susanns Atemzüge. Sie war wieder eingeschlafen. Durch das
Zimmerfenster drang ein kalter, diesiger Morgen herein.
Bernard
Wellmann zog sich einen Bademantel über und ging in die Küche.
Er brauchte
unbedingt einen Kaffee.
Doch noch
während er in den Küchenschränken kramte, kam ihm ein anderer Gedanke. Er
grübelte nach, während er die Kaffeebohnen mahlte und das Wasser aufsetzte,
dann ging er zum Dachboden. Zuletzt war er vor einer Woche oben gewesen, um
einen Packen alter Lehrbücher zu deponieren. Bei dieser Gelegenheit hatte er
einen Stapel Briefe und Fotos gefunden, die er jedoch nicht näher untersucht
hatte, da sie offensichtlich Susann gehörten.
Wellmann
knipste das Deckenlicht an, und die verstaubte Speicherlandschaft lag vor ihm.
Er fand sofort, was er suchte.
Es war das
Foto eines Mannes, den er in seinem Traum gesehen hatte.
Er nahm es an
sich und steckte es in die Tasche seines Bademantels.
Ihm kam zu
Bewußtsein, wie wenig er Susanns Vergangenheit kannte. Sie hatten sich
kennengelernt, einige Tage zusammen verbracht... alles war wie im Traum
abgelaufen. Die Gegenwart war wichtiger gewesen als die Vergangenheit.
Es war auf
einem Stadtfest gewesen. Eine Woche später schon war er von London nach Salisburn gezogen, einem kleinen verträumten Nest an der
britischen Atlantikküste. Nun lebte er in Susanns Haus, in dem sie vorher
allein gewohnt hatte. Sie hatte es von ihren Eltern geerbt.
Es war
schwierig gewesen, seine Schulbehörde zu überzeugen, ihn in die Nähe seines
neuen Wohnortes zu versetzen.
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