0580 - Ginas Mörderschloß
auf dich auch, du komischer Bulle.«
»Aber Sie wissen es.«
Er fletschte die Zähne. »Klar doch.«
Ich nickte ihm lässig zu. »Danke für das Geständnis. Dann werden Sie uns ja einiges sagen können.«
»Einen Teufel werde ich tun, Bulle, einen Teufel! Ich halte mein Maul, verstanden.«
Ich schaute Dennis an. »Weißt du mehr?«
Er hob die Schultern. »Ich glaube, schon. Es muß mit meinen Träumen zusammenhängen.«
»Und mit dem Buch, nicht?«
»Ja, die Schwarzwald-Hexe, über die geschrieben worden ist. Sie hat Gina geheißen, wie ich las und…« Er erbleichte während eines Augenblicks. »Gina«, flüsterte er, »daß ich erst jetzt darauf komme. So… so hat auch die Hexe in meinem Traum geheißen.«
»Wann hast du von ihr geträumt?«
»Eigentlich immer, John. Aber vorhin, als ich in der Hitze und der stickigen Luft saß, da schlief ich ein und erlebte im Traum etwas Grauenhaftes. Ich mußte mit ansehen, wie sie die Hexe Gina auf den Scheiterhaufen stellten und verbrannten. Ihr Sohn Mario konnte entwischen.« Er wiederholte den Namen Mario noch einmal und schüttelte den Kopf. »Das ist wirklich komisch, John. Mario aus dem Traum kommt mir vor, als wäre er mein Bruder.«
»Wieso?«
Dennis hob die Schultern. »Ich mochte ihn. Ich habe gefühlt, daß er ebenso denkt wie ich.«
»Wer sind deine Eltern, Dennis?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich bin angenommen worden. Ein Adoptivkind.« Er schlug sich gegen die Stirn. »Haben Sie oben nicht von einem Blutstein gesprochen?«
»So ist es.«
»Ich kenne ihn doch, John. Ich habe über ihn in diesem Buch gelesen. Die Hexe mußte wohl gewußt haben, wo sich der Blutstein befindet, aber sie hat nichts gesagt und bis zu ihrem Tod geschwiegen. So hat es da gestanden. Sie können es selbst lesen.«
»Das werde ich auch, Dennis, darauf kannst du dich verlassen. Der Blutstein ist für mich wichtig.« Ich schaute Orth an. »Was wissen Sie denn davon, Meister?«
»Gar nichts.«
»Tatsächlich? Weshalb wollten Sie dann verhindern, daß der Junge die Geschichte der Schwarzwald-Hexe las?«
»Um ihn zu schützen!«
»Wie toll. Nur glaube ich Ihnen das nicht. Die Hexe ist tot. Vor wem wollten Sie Dennis beschützen?«
Er ließ sich Zeit mit der Antwort. Hin und wieder zuckte sein verletztes Bein. »Glaubst du wirklich, Bulle, daß die Hexe tot ist?«
»Ja.«
»Hä, hä.« Er lachte so dreckig, daß ich einen Schauer bekam.
»Dann glaub es mal weiter.«
Ich schaute Dennis an. »Was sagst du dazu, Junge?«
Dennis blickte ins Leere. Seine Antwort klang ebenfalls trostlos.
»Keine Ahnung«, murmelte er. »Eigentlich müßte sie ja tot sein. Das habe ich im Traum gesehen und…«
Orth, der Mann mit dem Totenkopfgesicht, unterbrach ihn. Auf seiner Glatze verteilten sich die Schweißperlen. »Hör zu, Junge, hast du schon mal etwas vom Teufel gehört? Vom Herrn der Hölle? Von demjenigen, dem auch die Hexen dienen?«
»Das ist Aberglaube.«
»Wer sagt das?« keuchte Orth. »Wer?«
»Die Leute…«
»Die irren sich, mein Junge. Sie irren sich gewaltig, das kann ich dir versprechen. Es gibt den Teufel. Und ich weiß auch, daß die Hexe nicht tot ist. Schon damals stand sie unter dem Schutz des Höllenfürsten. Der wird sich hüten, seine Dienerin vernichten zu lassen. Hüten wird er sich. Ihre Zeit ist wieder da. Das Pendel des Schicksals ist ausgeschlagen und stehengeblieben.«
Dennis Höller konnte mit diesen Erklärungen nicht viel anfangen.
Ich um so mehr.
»Sie sind also davon überzeugt, Orth, daß die Hexe nach wie vor existiert.«
»Ja.«
»Wo denn?«
Er glotzte mich an. Einen anderen Ausdruck fand ich für diesen Blick nicht. »Sie baut ihr Reich wieder auf. Sie weiß viel, auch über den Blutstein.«
»Wo existiert sie?«
Orth lachte. »Wenn du das wissen willst, mußt du dich in der Umgebung umschauen.«
»Also in der Nähe.«
Er grinste nur wissend.
Ich schaute auf den Jungen. »Hast du eine Ahnung, Dennis, wo wir die Hexe finden können?«
»Sie ist doch tot, John. Man hat ihr sogar den Kopf abgeschlagen, um sicherzugehen. Niemand sollte ihr Geheimnis erfahren, was diesen Blutstein angeht.«
»Das weiß ich alles. Aber gehen wir mal davon aus, daß sich die Geschichte geirrt hat. Wäre ja nicht das erste Mal. Wo könnte sich Gina aufhalten?«
»In meinem Traum sah ich sie in einer Hütte wohnen.«
»Die wird es jetzt nicht mehr geben.«
»Bestimmt nicht.« Der Junge furchte die Stirn. Er dachte angestrengt nach und
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