0583 - Der Ara und die Verzweifelten
„Das bedeutet, daß wir sofort starten können, sobald die Kranken an Bord gebracht sind."
„Deighton und Tifflor waren nicht damit einverstanden, daß Sie alle Mutanten von der Erde abziehen", sagte ich.
Er nickte.
„Ich halte es für die beste Maßnahme."
„Es ist Ihr Problem!" gab ich zurück.
Er warf mir einen rätselhaften Blick zu.
„Sie sind ein Ara", sagte er beiläufig. „Ich habe Sie beobachtet.
Sie setzen sich völlig für die Kranken ein. Wie kann ein Extraterrestrier sich so engagieren? Sie wissen doch, daß das Solare Imperium noch stärker wird, wenn es uns gelingt, dieses Problem zu lösen. Das läge doch sicher nicht im Interesse Ihres Volkes, zu dem wir keine besonders guten Beziehungen haben."
„Ich bin Arzt - kein Politiker."
„Sind Ärzte keine Patrioten?"
„Sie reden wie meine Gegner unter den Aras", warf ich ihm vor.
Er wurde sehr ernst. „Ich frage mich, ob wir Ihnen vertrauen können."
Ich verstand sofort. Er dachte, daß ich die Lücke im Sicherheitssystem sein könnte. Er hielt mich für den Informanten, der alle wichtigen Nachrichten an die Opposition gab. Das Blut stieg mir in den Kopf.
„Ich arbeite seit zwölf Jahren für die USO", sagte ich heftig.
„Bisher gab es noch nie Schwierigkeiten."
„Ich werde mich bei Ihnen entschuldigen, wenn sich herausstellen sollte, daß ich Ihnen Unrecht getan habe."
Ich war so wütend, daß ich nicht antwortete. Ich blickte nach vorn, wo Atlan saß. Halb entschlossen, mich bei dem Lordadmiral der USO zu beschweren, erhob ich mich von meinem Platz.
Zu diesem Augenblick erklang Andresens Stimme: „Kommen Sie jetzt, Dr. Terzyu. Wir müssen uns während der Verladung um die Kranken kümmern."
Meine Wut verschwand schlagartig. Hier ging es nur um die acht Patienten.
Ein gewisses Unbehagen blieb jedoch in mir zurück. Hatte Rhodan nicht unbewußt recht? Sah ich in den Synthokörpern wirklich nur Patienten, denen geholfen werden mußte?
Ich trat an das Bett von Andre Noir.
„Wir haben unser Ziel erreicht. Sie werden jetzt an Bord der MARCO POLO gebracht."
Noir blinzelte. Entweder besaß er nicht die Kraft zu einer Antwort, oder er wollte nicht mit mir sprechen.
Die Betten schwebten nacheinander aus dem Gleiter. Draußen standen Robotwachen. Gleiter schwebten über dem Landefeld und achteten darauf, daß niemand in das Sperrgebiet eindrang.
Ich trat in die offene Schleuse.
Vor mir ragte die MARCO POLO wie ein stählerner Berg in den Himmel. Diese fliegende Stadt war die beeindruckendste technische Konstruktion, die ich jemals gesehen hatte. Dieses Schiff war gleichzeitig ein Symbol. Besser als alle Worte demonstrierte es die Entschlossenheit der Terraner, sich weiter im Universum auszubreiten.
Warum taten sie das? fragte ich mich.
Warum begnügten sie sich nicht mit den Planeten, die sie besaßen?
Es war nicht die Sucht nach Macht, das hatte ich längst erkannt. Die Menschen suchten Antworten auf ihre Fragen. Die uralte Frage nach der Schöpfung ließ diese Wesen nicht los. Und jedes Mal, wenn sie eine Tür aufgestoßen hatten, entdeckten sie neue Rätsel.
Sie würden immer tiefer in das Universum vorstoßen und schließlich den Kontakt zueinander verlieren.
Das war ihr Problem.
Das Universum war zu groß, als daß sie es hätten erforschen können. Sie würden darin untergehen. Das Universum würde sie aufsaugen und sie in unzählige kleine Völker zersplittern. Perry Rhodan hatte das längst erkannt. Ich wußte das aus allen seinen Worten. Längst überlegte er, ob es nicht einen anderen Weg gab.
Denn die ständige Expansion, getragen von einer übermächtigen Technik, würde schließlich verebben. Die Menschheit würde verschwinden, einem winzigen Fluß gleich, der ins Meer fließt.
Die ersten Anzeichen für einen solchen Prozeß zeichneten sich bereits ab. Es gab von Menschen bewohnte Planeten, auf denen niemand mehr etwas von der Erde wußte. Und in Imperium-Alpha, der Zentrale auf Terra, kannte man längst nicht alle Welten, auf denen sich Menschen niedergelassen hatten.
Längst waren wieder kleine, von Menschen geschaffene Sternenreiche entstanden, die nicht zum Solaren Imperium gehörten.
Die Zersplitterung schritt unaufhaltsam fort.
„Träumen Sie?" fragte Andresen schroff.
Er stand hinter mir in der Schleuse, ein großer, unbeugsam wirkender Mann, den nichts aufhalten konnte.
Ich spürte meine innere Bereitschaft, mich diesem Terraner unterzuordnen, doch gleichzeitig flammte Widerstand in mir
Weitere Kostenlose Bücher