0587 - Mumien in Moskau
in Rußland des öfteren mit Klöstern konfrontiert werde. Das ist nicht das erstemal. Diese alten Mauern müssen Geheimnisse verbergen, die wir in unseren Klöstern nicht finden.«
Wladimir Golenkow kehrte von seinem Telefonat zurück. Als er sich setzte, sahen wir auf seinen Lippen das dünne Lächeln. »Wir bekommen noch Zimmer.«
»Wunderbar. Wie hat das geklappt?«
»Nun ja, Bill, bei euch sagt man Vitamin B.«
»Beziehungen?«
»Richtig.«
»Da können wir nur froh sein, den richtigen Mann getroffen zu haben. Hat man dich offiziell für diesen Fall abgestellt, oder sollst du im Hintergrund arbeiten?« fragte ich.
»Diesmal offiziell, John. Es hat sich in unserem Land einiges ver ändert.«
»Das merke ich jetzt.«
»Möchtet ihr noch ein Glas?«
Wir waren beide dagegen.
Wladimir erhob sich. »Dann wäre es am besten, wenn wir uns auf den Weg zu unserem neuen Ziel machen. Wenn ihr mit den Mädchen reden wollt, jetzt habt ihr noch Ruhe.«
»Später nicht mehr?«
Er lachte auf. »Die heutige Abschlußveranstaltung wird sich zur Schau entwickeln, zu einem Medien-Ereignis. Das Fernsehen ist da, Reporter schwirren umher. Zum Abschluß wird ein Feuerwerk abgebrannt.«
»Fehlt nur noch der Jahrmarkt«, meinte Bill.
»Auf den können wir verzichten.«
Das lange Sitzen im Flugzeug und das Hocken hier hatte meine Glieder steif werden lassen. Bevor wir das kleine Lokal verließen, mußte ich mich einige Male recken. Erst dann ging es mir besser.
Zoll und weitere Kontrollen blieben uns erspart. Golenkow besaß eben einen gewissen Einfluß.
Bevor ich in seinen Dienst-Volvo stieg, warf ich dem blauen Himmel über Moskau einen Blick zu. Er wirkte wie ein seidenes Tuch, über das die Sonne ihren Fächer gelegt hatte.
Dennoch konnte ich nicht froh werden. Der letzte Fall hatte uns nach Salzburg geführt, jetzt waren wir in Moskau, und meine Mutter befand sich noch immer in den Händen des Blutsaugers Will Mallmann. Wie gern hätte ich meine Zeit genutzt, um sie zu befreien.
Es ging nicht, der Job ließ es nicht zu. Manchmal verfluchte ich ihn bis in die tiefste Hölle.
Wladimir fiel mein bedrückender Gesichtsausdruck auf. »Ist irgendwas mit dir, John?«
»Nein, nicht mehr.« Ich stieg in den Fond und hämmerte die Tür zu…
***
Irgendwo tropfte Wasser.
In einem stets gleichbleibenden Rhythmus fielen die Tropfen dem Boden entgegen und klatschten dort auf. Es war auch das einzige Geräusch, das die drückende Stille innerhalb der Erde unterbrach, wo die versteckt liegende Grotte lag, deren Decke die Form einer aufgeklappten Muschel aufwies.
Eigentlich hätte es stockfinster sein müssen, denn der dicke Fels ließ keinen Lichtstrahl durch.
Das war es nicht.
Zwar gab es kein künstliches Licht, auch kein direkt natürliches, es war mehr der Widerschein einer Flüssigkeit, die eine relativ große Mulde ausfüllte.
Die Flüssigkeit besaß eine rote Farbe. Sie lag zudem nicht ruhig, sie bewegte sich, sie bekam Druck von innen, der allerdings nicht so stark war, daß sich der Inhalt über die Ränder ergoß. Sie blieb in der Mulde und sah aus wie köchelnde Lava, denn aus der Tiefe stiegen zudem Blasen hervor, die, wenn sie die Oberfläche erreicht hatten, mit leisen Geräuschen zerplatzten.
Die Stille blieb drückend und beklemmend. Ein sensibler Mensch hätte sie vielleicht gespürt, doch es befand sich niemand in der Erdentiefe, der darauf hätte achten können.
Und doch war etwas vorhanden.
Nicht allein die rote Flüssigkeit, vielleicht ging es von ihr aus, daß gewisse Dinge ins Rollen kamen.
So regte sich etwas im Hintergrund der Höhle. Ein Schatten und nicht herauszufinden, ob es sich dabei um einen menschlichen Umriß handelte. Der Schatten aber konnte sich verändern, er bewegte sich, und er gab einen Laut ab.
Es hörte sich an wie eine Mischung aus Knurren und Heulen.
Durch keine Öffnung konnte der Laut die Wände der Grotte durchdringen, er blieb in der Unterwelt und war trotzdem verstanden worden.
In der roten Lava tat sich etwas.
Die Blasen stiegen schneller der Oberfläche entgegen. Dämpfe erschienen und verteilten sich, bis sich dicht unter der Oberfläche etwas bewegte und dann hindurchstieg.
Es waren zwei Hände, zwei Klauen, und beide waren bandagiert.
Man hatte sie gerufen, sie waren gekommen. Nichts war vergessen, gar nichts, und wenn es noch so fern der eigentlichen Heimat lag.
Das Böse kennt keine Landesgrenzen…
***
Wladimir Golenkow hatte uns den Gefallen getan
Weitere Kostenlose Bücher