Luc t'a pan - Teil 1 (German Edition)
1. Vergangenheit
Sie hatten ihn verstoßen.
Ihn.
Ausgerechnet ihn. Aus dem innersten Zirkel der Ältesten. Der Gedanke daran schmerzte. Immer noch, selbst nach all der Zeit.
Er war der einzige, der die Zeichen verstand. Sie in seinen Gedanken zu einem Ganzen formte. Die Lösung erkannte. Der Einzige, der die Konsequenzen daraus zog. Den Mut besaß, sie zu ziehen.
Sie zu formulieren.
Kein anderer aus dem Kreis der Siebenundzwanzig erhob seine Stimme, um ihn zu unterstützen. Kein anderer stellte sich auf seine Seite. Sechsundzwanzig Münder blieben still. Er war sich sicher, dass es mehr als nur einen unter ihnen gab, der genauso dachte wie er. Vielleicht sogar Hunderte.
Tausende.
Weit über den Zirkel hinaus. Draußen. In der Abgeschiedenheit der Berge, die ihnen als Heimat diente. Zumindest vorerst. Denn sie waren ein Volk von Wanderern. Von Nomaden. Unbemerkt von der Welt. Nur so konnten sie ihren Auftrag erfüllen.
Ihren Auftrag.
Der Gedanke daran erfüllte ihn mit Zorn.
Ein Gefühl, das sich seit seiner Verbannung immer öfter in ihm regte. Ihn antrieb. Seinen Plan aus seiner Vorstellung heraus zu einem Gebilde meißelte, das sich anschickte, Realität zu werden.
Ein Gefühl, das sein Volk nicht kannte.
Er lachte.Seine Stimme verlor sich im Schneegestöber, das pfeifend über die Bergflanken zog, sich durch die Schluchten und Täler fraß, die vor ihm lagen.
Er genoss den Sturm.
Er genoss ihn mitsamt seiner ganzen Schrecklichkeit. Seinen nicht enden wollenden Nadelstichen aus Eis, die versuchten, in ihn zu dringen. Seiner Kälte. Seinen ultimativen Angriff auf das Leben selbst.
Auf ihn.
Früher interessierten ihn solche Empfindungen nicht. Sie interessierten ihn nicht, da er sie nicht kannte. Zumindest in der Anfangszeit seiner Existenz, denn seine Rasse war frei von Gefühlen, die mit den Schattenseiten des Lebens in Deckung gebracht werden konnten.
Doch schon bald spürte er.
Spürte Schmerz. Spürte Angst. Neid. Wut. Eifersucht. Bemerkte, dass er anders war, da niemand mit ihm darüber reden konnte. Also fand er sich damit ab. Erst später erkannte er, dass niemand mit ihm darüber reden wollte . Erfuhr, dass die Ältesten sehr wohl wussten, worüber er sprach, auch wenn sie diese Emotionen nur durch das Ka´long ta´kté kannten, ein Kapitel ihrer frühesten Stammesgeschichte, das im Cap z'oc tual-tig unter Verschluss gehalten wurde.
Wie sonst hätte ihr Volk seine Bestimmung erfüllen können? Über alle Zeiten und alle Welten hinweg?
Trotzdem hatte er davon erfahren.
Er war der erste seines Volkes der Törötönösen , der seit dem Tage ihrer Geburt durch den Gott Tör´ö te k´lan, ihrem Schöpfer und Namensgeber, im Jahre des Flat'ex hochl , ins Exil vertrieben wurde.
Verbannt.
Und seiner Unsterblichkeit beraubt.
Er schleppte sich durch die Landschaft aus Eis. Spähte in Gletscherspalten hinab, die ihm ihre Mäuler weit aufgerissen entgegenstreckten. Für einen Augenblick glaubte er, die Stimmen der Ältesten aus ihnen zu hören. Ihr Säuseln, das so gar nicht zum Inhalt ihrer Botschaft an ihn passte.
Bei jedem Schritt zerbrach die gefrorene Schicht der Schneedecke unter seinem gewaltigen Gewicht und er versank darin.
Früher wäre er einfach darüber hinweggeglitten.
Doch nun galt es, mit seinen Kräften sparsam umzugehen. Seit seinem Exil und dem damit unweigerlich verbundenen Todesurteil konnte er keinerlei Risiko eingehen. Jede Verwandlung kostete ihn Energie, die ihm nur noch in begrenztem Umfang zur Verfügung stand. Früher labte ich mich am Schauspiel meiner Verwandlung und gewann dadurch nicht enden wollende Lebenskraft. Nun bringt sie mich Stück für Stück um.
Sicher, ihm blieben noch viele Jahre – womöglich sogar Jahrhunderte - aber wer einst als Unsterblicher geboren war, dachte in anderen Dimensionen. Außerdem wusste er nicht, wie viel seiner Kraft er seinem Plan opfern musste.
Er schloss die Augen und schob die Gedanken an seinen Tod beiseite.
Der Plan!
Seine Finger pulsierten im Licht, das vor Erregung aus seinem Innersten hervorschoss, als er sie zur Faust formte. Die ganze Ungeheuerlichkeit meines Plans!
Es hatte ihn viele schlaflose Nächte ...
... welch Hohn – vor meiner Sterblichkeit bedeutete mir Schlaf nichts, jetzt hilft er mir, zu überleben ...
... gekostet, alles bis ins Detail zu planen. Zu Anfang zweifelte er sogar daran, dass es diese Möglichkeit wirklich geben könnte. Zwangen ihn
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