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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Er griff in die Tasche seines gemieteten Cuts, der trotz aller Bemühungen des Schneiders die Hängeschultern nicht verbergen konnte, und zog eine Packung Silk Cut heraus. Er steckte sich eine der Zigaretten an und schnippte das Streichholz auf den kalten Steinboden. »Die läßt ihn nicht mehr aus den Klauen, das kannst du mir glauben, Ty. Da mach dir mal keine Illusionen. Und laß dir's 'ne Lehre sein. Behalt ihn in der Hose, bis er das richtige Zuhause findet.«
    Brendan wandte sich ab. Sie mochten ihn beide. Und jeder von ihnen hatte seine eigene Art, ihm Trost zu bieten. Aber weder Hogarths Witze noch Tyrones Optimismus konnten an der Realität des Tages etwas ändern. Mochte kommen, was wollte, er würde heute Rebecca Townley-Young heiraten. Er versuchte nicht daran zu denken; versuchte das schon seit dem Tag, an dem sie mit dem Resultat des Schwangerschaftstests zu ihm ins Büro in Clitheroe gekommen war.
    »Ich weiß nicht, wie das passieren konnte«, sagte sie. »Ich hab mein Leben lang die Periode nicht regelmäßig bekommen. Mein Arzt hat mir sogar erklärt, ich müßte erst Medikamente nehmen, damit sich das einpendelt, wenn ich mal Kinder haben möchte. Und jetzt. Schau dir die Bescherung an, Brendan.«
    Schau dir an, was du mir angetan hast, hieß das. Ausgerechnet du, Brendan Power, Juniorpartner in Daddys Anwaltskanzlei. Gott, wär' das nicht ein Pech, dafür jetzt an die Luft gesetzt zu werden?
    Nichts von alledem brauchte sie auszusprechen. Sie brauchte nur mit gesenktem Kopf verzweifelt zu sagen: »Brendan, ich habe keine Ahnung, was ich Daddy sagen soll. Was soll ich nur tun?«
    Ein Mann in einer anderen Situation hätte gesagt: »Treib ab, Rebecca«, und hätte sich wieder seiner Arbeit zugewandt. Ein anderer Mann hätte vielleicht sogar in Brendans Situation ebendies gesagt. Aber Brendan wußte, daß in anderthalb Jahren St. John Andrew Townley-Young darüber entscheiden würde, welche der Anwälte der Sozietät seine Geschäfte als Seniorpartner übernehmen und sein Vermögen verwalten sollte, wenn er sich aus der Kanzlei zurückzog, und die Vorteile, die dem winkten, für den Townley-Young sich entschied, waren so verlockend, daß Brendan ihnen nicht einfach leichten Herzens den Rücken kehren konnte: Einführung in die feine Gesellschaft, weitere Mandanten vom Kaliber Townley-Youngs, steiler beruflicher Aufstieg.
    Eben die Möglichkeiten, die Townley-Youngs Förderung verhießen, hatten Brendan überhaupt erst veranlaßt, sich mit der achtundzwanzigjährigen Tochter des Mannes einzulassen. Er war knapp ein Jahr in der Kanzlei. Er wollte unbedingt vorwärtskommen. Als daher der Seniorpartner, St. John Andrew Townley-Young, Brendan eingeladen hatte, Miss Townley-Young zum Pferde- und Ponymarkt in Cowper zu begleiten, schien Brendan das eine günstige Gelegenheit, die er unmöglich ausschlagen konnte.
    Die Vorstellung, ihren Begleiter zu spielen, hatte ihn damals überhaupt nicht geschreckt. Es war zwar richtig, daß Rebecca selbst unter den besten Bedingungen - gut ausgeschlafen und nach anderthalb Stunden vor dem Spiegel eine fatale Ähnlichkeit mit der alternden Königin Viktoria hatte, aber Brendan war überzeugt, ein oder zwei gemeinsame Ausflüge mit Anstand und vorgetäuschter Kameradschaftlichkeit überstehen zu können. Er verließ sich auf seine Fähigkeit zur Verstellung. Er wußte ja, daß jeder gute Anwalt sich auf anständige Heuchelei verstehen mußte. Er hatte allerdings nicht mit Rebeccas Fähigkeit gerechnet, von Anfang an ihre Beziehung ziemlich eindeutig zu bestimmen und zu gestalten. Als sie sich das zweite Mal trafen, schleppte sie ihn in ihr Bett und ritt ihn wie der Master, der einen Fuchs gesichtet hat. Und als sie das dritte Mal zusammen waren, stürzte sie sich nach kurzem Vorspiel auf ihn und stand schwanger wieder auf.
    Er hätte so gern ihr allein die Schuld gegeben. Aber er konnte nicht leugnen, daß er, als sie keuchend und japsend auf ihm herumgehopst war und ihm ihre seltsamen mageren Brüste ins Gesicht schlugen, die Augen geschlossen und lächelnd gesagt hatte: »Mann, du bist eine tolle Frau, Becky!«
    Dabei hatte er die ganze Zeit an seine bevorstehende Karriere gedacht.
    Und heute würde sie ihn heiraten. Nicht einmal das Ausbleiben des Pfarrers, Mr. Sage, würde den Lauf von Brendan Powers Zukunft aufhalten können.
    »Wie weit ist es schon über der Zeit?« fragte Hogarth.
    Sein Bruder sah auf die Uhr. »Eine gute halbe Stunde.«
    »Und es ist noch

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