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06 - Weihnacht

06 - Weihnacht

Titel: 06 - Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sie von Leuten geschildert werden, welche unsere Rasse gar nicht kennen! Kein Indianer ist so dumm, ein Finding-hole durch Untertauchen auszubeuten. Old Shatterhand wird sehen, wie klug die Panacks es angefangen haben, zu dem Golde zu kommen, ohne naß zu werden.“
    „Ah, sie haben das Wasser abgeleitet?“
    „Ja. Und die Einrichtung dazu ist so einfach hergestellt worden und noch heutigen Tages vorhanden. Es bedarf nur einer ganz geringen, kurzen Arbeit, um dem Wasser eine andre Richtung zu geben. Einen kleinen Teil des Goldes herauszunehmen, erfordert nicht lange Zeit; aber freilich, wenn man das Hole ganz leeren will, so ist eine ganze Reihe von Tagen erforderlich, um damit fertig zu werden.“
    Jetzt schwieg er längere Zeit. Ich sah ihm an, daß ihn ein nicht gewöhnlicher Gedanke beschäftigte, und hütete mich, ihn zu stören. Dann machte er eine energische Bewegung mit der Hand und sagte in demjenigen Tone, welcher bei ihm stets einen festen Entschluß verkündete:
    „Uff! Wir werden länger hier bleiben, als ich dachte. Der Gedanke an den Schnee gebot mir, so kurz wie möglich hier oben zu verweilen, aber wir werden uns zu dem Wagnisse entschließen, es mit ihm aufzunehmen. Im schlimmsten Falle können wir uns ja nach dem Pa-ware (Heißes Wasser) der Schoschonen retten. Die Pferde aber dürfen nun nicht bleiben; sie müssen fort. Jetzt mag mein Bruder mit mir die Augen schließen. Gute Nacht!“
    Er legte sich nieder, und ich folgte diesem Beispiele. Ich war ganz glücklich darüber, daß er sich entschlossen hatte, meine Bitte zu erfüllen. Zwar hatte er mir das nicht mit Worten zugesagt, aber daß er zum längeren Bleiben entschlossen war, verriet mir, daß er die Absicht hatte, das Finding-hole zu leeren. Ihn zu fragen, was er mit dem Pa-ware gemeint habe, fiel mir nicht ein. Er war nicht gewohnt, mich neugierig zu sehen.
    Am andern Morgen wurden wir sehr früh von der Kälte geweckt, denn das Feuer war ausgegangen, weil niemand gewacht und es genährt hatte. Wir zündeten ein neues an, um uns bis Tagesanbruch zu wärmen, und merkten nun erst, daß unsere Decken feucht geworden waren. Es wehten feine Flocken, die sich schnell auflösten, in unser abgeschlossenes ‚Heim‘ herein. Wir aßen, und als der erste Gedanke des Tages am Himmel über uns zu bemerken war, hobbelten wir die Pferde so an, daß keines zu dem andern konnte, und machten uns fertig, den Lagerplatz zu verlassen. Da wir heute nicht ritten, so mußten wir den durch die Schlucht führenden Bach zu Fuße durchwaten und also unser Schuhwerk ausziehen. Die Passage war kalt und wegen der im Wasser liegenden Steine, die wir nicht sehen konnten, höchst unbequem. Draußen zogen wir die Stiefel bzw. Mokassins wieder an und sahen uns dann zunächst nach dem Wetter um. Es schneite, doch nur dünn, und Winnetou, der sich auch in dieser Beziehung nie zu irren pflegte, sagte:
    „Das ist nicht der Schnee des hereinbrechenden Winters, sondern der großen Bergeshöhe; er wird aufhören, sobald die Sonne erscheint. Meine Brüder mögen mir folgen!“
    Da keiner von uns zurückgeblieben war, zählten wir mit den fünf Schoschonen neun Mann, die es, wohlbewaffnet, wie wir waren, leicht mit Corner und seiner Sippe aufnehmen konnten. Wir befanden uns trotz unsers gestern so steil aufführenden Rittes noch immer am Fuße eines mächtigen, himmelhoch strebenden Bergkegels, dessen Kuppe mit tiefem Schnee bedeckt war. Dieser Schnee leuchtete uns mehr als das unzulängliche, leichte Tagesgrauen. Wir hatten uns eine Stunde lang durch ein wüstes Felsengewirr bergauf zu winden und trafen dann an der Stelle wieder auf unser Wasser, wo es sich tief in die erste Kluft dieses Wirrsales hinabstürzte. Wir hätten uns eigentlich an seinem Ufer halten müssen, da wir aber nicht gesehen werden durften, verließen wir es, um einen bedeutenden Erdrutsch zu überwinden, der uns über eine halbe Stunde lang zu schaffen machte. Er war die Folge der Frühjahrsschmelze. Hierauf folgte eine ermüdende Kletterpartie über ein ausgedehntes, schräges und sehr schlüpfriges Felsendach, auf dessen oberem Rande wir halten blieben, um Rost ausruhen zu lassen.
    Hier befanden wir uns nach Winnetous Angabe in gleicher Höhe mit dem Finding-hole, dem wir uns nun mit größter Vorsicht zu nähern hatten. Dabei war uns der Umstand behilflich, daß hier oben der Schnee viel dichter fiel. Man konnte nicht fünfzig Schritte weit sehen. Es gab eine Menge vom Schneewasser gerissene Gerinne zu

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