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06 - Weihnacht

06 - Weihnacht

Titel: 06 - Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ein silberheller Faden floß; es kam hinten aus einem so niedrigen Spalt, daß kaum ein Mensch Platz zum Hineinkriechen hatte. Es schien hier ein ganzes System von Spalten, Klüften und Kesseln vorhanden zu sein.
    Da kein scharfer Wind in diesen Raum treten konnte, herrschte in demselben trotz des Wassers eine ganz angenehme Temperatur. Es war sogar einiges Gesträuch vorhanden, und der Boden bestand aus einem ganz saftig grünen Rasen, mit dem sich unsere Pferde sofort zu beschäftigen begannen. Am willkommensten waren uns mehrere hohe Stöße Brennholz, denen man es ansah, daß sie vor Jahrzehnten hier aufgehäuft worden waren. Es mußte eine lange Zeit her sein, seit das letzte Feuer hier gebrannt hatte. Wir zündeten eins an und machten es uns rund um dasselbe auf unsern Decken so bequem wie möglich. Ich sagte natürlich nicht, was ich von Winnetou erfahren hatte, und war selbst sehr neugierig, zu erfahren, weshalb und wohin er seinen einsamen Ritt unternommen hatte.
    Wir mochten uns vielleicht drei Stunden lang an unserm jetzigen Aufenthaltsorte befunden haben, als er durch die Spalte geritten kam. Schon daß er dies in der dort herrschenden Finsternis zuwege gebracht hatte, war eine große Leistung zu nennen; noch erstaunlicher aber war es, daß er in der jetzigen nächtlichen Dunkelheit die steilen, wilden und pfadlosen Höhen überwunden hatte, wo jeder unvorsichtige Schritt des Pferdes einen Unfall herbeiführen konnte.
    Als er abgestiegen war, beeilten sich die Schoschonen, seinen Iltschi zu versorgen. Er kam zu mir, setzte sich nieder und verzehrte sein Abendbrot, ohne ein Wort zu sagen, obwohl er es den Anwesenden ansehen mußte, daß sie irgendeine Mitteilung von ihm mit Ungeduld erwarteten. Erst als er mit dem Essen fertig war, sah er sich lächelnd im Kreise um und sagte in seiner kurzen, freundlichen, aber bestimmten Weise:
    „Meine Brüder glauben, daß ich ihnen etwas zu erzählen habe; sie irren sich. Ich bitte sie, sich schlafen zu legen, denn morgen früh werden wir einen sehr anstrengenden Weg zu machen haben. Wir werden Corner und seine Bleichgesichter gefangennehmen. Wir können alle schlafen und brauchen keine Wachen auszustellen, denn es gibt außer uns hier keinen Menschen, welcher den Ort, an dem wir uns jetzt befinden, kennt.“
    Diese Worte brachten eine Enttäuschung hervor, welche eine allgemeine Stille zur Folge hatte. Die Leute sagten einander kurz gute Nacht und wickelten sich in ihre Decken. Winnetou blieb noch sitzen. Ich war überzeugt, daß er wohl etwas hätte sagen können, wenn es nicht gegen seine Absicht gewesen wäre, zu sprechen. Daß er sich nicht auch niederlegte, war für mich das Zeichen, daß er mir etwas mitzuteilen habe; darum blieb auch ich sitzen. Er wartete, bis die andern alle zu schlafen schienen und sagte dann in der Mundart der Apatschen, um nicht verstanden zu werden, wenn ja noch einer wachen sollte:
    „Es ist so, wie ich dachte: Corner kennt das Finding-hole des Panackindianers. Er oder einer seiner Begleiter kann es nur durch irgendeinen unbeabsichtigten Umstand entdeckt haben. Als ihre Spur gestern nach hier ablenkte, wußte ich gleich, daß es sich nicht um ein Placer am Stihi-Creek handeln werde. Das, welches dort gelegen hat, ist von Watter und Welley ausgenommen worden.“
    „Da es so steht“, antwortete ich, „ist mir folgendes klar: Corner und Genossen haben erst hier diesen Fund gemacht, den sie nicht augenblicklich ausbeuten konnten, und sind fortgegangen, um dies später zu tun. Ihr Weg führte sie hinüber nach dem Stihi-Creek, wo sie auf Watter und Welley trafen und da bemerkten, daß diese Gold besaßen; sie folgten ihnen, um es ihnen abzunehmen; in welcher Weise sie dies taten, das wissen wir. Sie waren der Ansicht, daß ihr neuer Fundort nur durch Tauchen ausgebeutet werden könne, und lockten den alten Lachner herauf, um ihn und seinen Neffen zu dieser Arbeit zu zwingen und zugleich dadurch, daß sie dem Alten seine Anweisung abnahmen, einen doppelten Fang zu machen.“
    „Ja, so ist es. Mein Bruder hat es erraten. Ich beschloß vorhin, das Placer des Panackindianers aufzusuchen, und ritt soweit hinauf, wie es möglich war; dann hobbelte ich mein Pferd an und stieg zu Fuße weiter. Ich kam unbemerkt hinauf und sah sie neben dem Wasser sitzen, grad neben der Stelle, wo die Wellen über das verborgene Loch fließen; das gab mir die Überzeugung, daß sie den Fundort kennen.“
    „Wissen der alte Lachner und Carpio schon, woran sie

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