0624 - Die Tränen der Baba Yaga
haben?« fragte Amos. »Zamorra, ich versichere dir: diese kann weinen, und die Sache, um die es ihr geht, ist eine Sache des Herzens. Aber… für Herzensangelegenheiten ist jemand anderer zuständig.«
Er erhob sich.
»Warte«, verlangte Zamorra. »Erzähle mir mehr darüber! Dafür bist du doch in Wirklichkeit hier! Du hast doch irgendein besonderes Interesse daran, daß ich der Baba…«
Er sprach ins Leere.
Er war nicht schnell genug gewesen, um Sid Amos aufzuhalten. Der hatte sich blitzschnell dreimal um die eigene Achse gedreht, mit dem Fuß aufgestampft und dabei seinen Zauberspruch aufgesagt, um von einem Moment zum anderen in einer Wolke bestialischen Schwefelgestanks zu verschwinden.
Mostache kam aus der Küche gestürmt wie ein Berserker und schwenkte ein Fleischerbeil. »Ich bringe ihn um, diesen Mistkäfer!« brüllte er. »Ich bringe ihn um! Jedes Mal, wenn er so verschwindet, verpestet er mir die ganze Bude… Zamorra, wenn du ihn nicht killst, tue ich das!«
Zamorra drückte ihm die Hand mit dem Beil nach unten.
»Gedulde dich bis zum nächsten Mal«, bat er den Wirt. »Vermutlich wirst du ihm mit diesem Spielzeug ohnehin nichts antun können.«
Mostache atmete tief durch. Er warf das Beil auf die Tischplatte.
»Schon gut«, brummelte er. »Versprich mir, daß du ihn umbringst, Zamorra. Du kannst ein Jahr lang gratis zechen, wenn du dafür sorgst, daß dieser Teufel nicht mehr hierher kommt!«
»Mostache, ich bin kein Killer und kein Rächer. Solange er nicht wieder in die Hölle zurückkehrt, solange er nicht wieder zum Teufel wird, werde ich nichts gegen ihn unternehmen.«
»Aber er ist doch ein Teufel!« beharrte der Wirt. »Warum willst du das nicht begreifen?«
»Ich kenne ihn besser und länger als ihr alle zusammen«, sagte Zamorra. Er ging zur Tür und trat nach draußen.
Mostache folgte ihm und sah Nicoles Cadillac.
»Was ist eigentlich mit deinem BMW?« fragte er. »Hast du den immer noch nicht zurückerhalten?«
»Jerome Vendell und seine Leute doktern immer noch daran herum und hoffen, daß sie irgendwelche Hinweise entdecken«, sagte Zamorra. »Ich fürchte, es wird noch eine Weile dauern, bis sie damit fertig sind, und ich fürchte noch mehr, daß sie überhaupt nichts finden werden.«
Mostache nickte bedrückt.
Mit Zamorras Wagen war die geheimnisvolle Eva vor gut zwei Wochen nach Lyon gefahren und dort ermordet worden. Es war genau in der Zeit gewesen, als Zamorra und Nicole in die Höllen-Tiefen aufgebrochen waren, um Stygia das 6. Amulett wieder abzunehmen. [5]
Von dem brutalen Mord hatten sie erst nach ihrer Rückkehr erfahren. Was den Täter und sein Motiv anging, tappten Chefinspektor Robin und seine Mordkommission nach wie vor im Dunkeln und hofften jetzt, daß die Leute von der Spurensicherung vielleicht doch noch irgendeine Kleinigkeit entdeckten, die sie bisher übersehen hatten und die sie nun endlich ein kleines Stückchen vorwärts brachte.
Das Mädchen Eva war ohnehin ein einziges Rätsel gewesen und nun auch geblieben. Sie hatte eines Tages bewußtlos vor den Mauern von Château Montagne gelegen, ohne Erinnerung an ihr bisheriges Leben. Alle Versuche, über Polizei, Medien und andere Quellen etwas über sie herauszubekommen, waren bisher gescheitert.
Und jetzt hatte sich das Problem ganz von selbst erledigt auf eine furchtbare, endgültige Weise, die niemandem gefallen konnte!
Eva, die aus dem Nichts gekommen war, und die über eine seltsame Para-Fähigkeit verfügt hatte, mit der sie aber selbst nichts zu tun haben wollte…
Vorbei. Aus. Für alle Zeiten. Eva war tot. In einer Seitenstraße bei Nacht von einem Unbekannten ermordet.
Zamorra stieg in den Cadillac.
Vor der Tachoverglasung- haftete ein Zettel, auf den jemand etwas gekritzelt hatte. Anstelle einer Unterschrift sah Zamorra ein kompliziertes, verschlungenes Zeichen. Er kannte es nur zu gut; es war das Sigill des Asmodis.
Wenn du wirklich wissen willst, wer Eva war, solltest du meinen Bruder fragen.
»Verdammt!« stieß Zamorra hervor. »Merlin? Was hat Merlin mit Eva zu tun? Und - wieso weiß Asmodis davon?«
Warum hatte Amos ihm diesen Hinweis nicht gleich gegeben? Warum der Umweg über diesen Zettel?
»Manchmal habe ich das Gefühl, als wollten mich ein paar Gestalten mit Gewalt zum Narren halten«, knurrte er verdrossen und fuhr zum Château zurück.
***
Stygia hatte ihn einst aus seiner Gefangenschaft befreit, und Teri Rheken hatte ihn in die nächste Gefangenschaft geführt.
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