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0624 - Die Tränen der Baba Yaga

0624 - Die Tränen der Baba Yaga

Titel: 0624 - Die Tränen der Baba Yaga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Haus zurück!
    Wo Mondschein wandelt, Zamorras Macht schwindet!
    Aber drinnen gab es keinen Mondschein! Der schaffte es nicht, die vor Schmutz blinden Fensterscheiben zu durchdringen. Zamorra wußte das noch von früher her. Das Haus sah nicht so aus, als hätte Baba Yaga die verstrichenen Jahre für einen umfassenden Frühjahrsputz genutzt…
    Er raffte sich auf und folgte der Hexe in die Hütte. Vielleicht gab es jetzt doch noch eine Chance für ihn, reinen Tisch zu machen!
    Drinnen umfing ihn Dunkelheit, an die er sich erst gewöhnen mußte. Aber das Amulett erwachte tatsächlich wieder aus seiner Starre!
    Überall roch es nach Moder und Zerfall. Spinnweben bildeten dichte Schleier; die Achtbeinigen verharrten erschreckt, mußten sich erst mit dem ungewohnten Besucher abfinden. Zamorra wischte einige Gewebe achtlos beiseite. Während er vorwärts stürmte, zerdrückte er ein paar der Spinnen, die so unvorsichtig waren, ihm im Wege zu sein. Ratten pfiffen schrill und ergriffen hastig die Flucht.
    Wie damals hatte Zamorra auch jetzt wieder das Gefühl, das Haus sei innen weitaus größer als von draußen.
    Wohin war Baba Yaga verschwunden?
    Zamorra durchquerte den Raum mit der Knochensammlung, verstaubt wie alle anderen Zimmer. Er stolperte über verstreut herumliegende Menschenschädel, mehr oder weniger erhaltene Gerippe, wild durcheinandergeschüttelt bei den schnellen Märschen des Hauses über das Land. Es gab auch Knochenreste von Wesen, die niemals menschlich gewesen sein konnten. Tod und Verfall waren allgegenwärtig.
    Irgendwo kicherte die Uralte. Zamorra wirbelte bei jedem Schritt Wolken von Staub auf. Schließlich erreichte er den Raum, in dem der Ofen der Baba stand.
    Gerade schwang sie sich darauf, als sei er ein Reittier, und in gewisser Hinsicht war er das auch. Sie griff nach den Zügeln, trieb den Ofen an. Auf seinen vier Hühnerbeinen setzte er sich gehorsam in Bewegung. Dahinter öffnete sich eine Tür, durch die die Hexe hinausritt - in die von ihrer Träne geschaffene Dunkelheit, in der Zamorras Amulett-Magie keine Wirkung mehr besaß…
    Sie lachte schrill.
    »Ja, mein Jüngelchen«, kreischte sie ihm zum Abschied zu. »Du wirst mich töten, wie der Fürst der Finsternis es gesagt hat. Aber das Wann, Wo und Wie bestimme nur ich allein!«
    Zamorra folgte ihr ein paar Schritte nach draußen und starrte ihr nach.
    Im nächsten Moment war sie verschwunden.
    Hatte sich unsichtbar gemacht. Nur die Spur gab es noch, die der auf seinen Hühnerbeinen galoppierende Kohleofen hinterließ.
    Als er sich umwandte, versank soeben auch ihr Haus wieder im Nichts.
    Und er besaß keinen zweiten Silbernagel mehr, um sie erneut zu bannen.
    Die alte Hexe hatte wieder einmal gewonnen…
    ***
    Es war ein gutes Gefühl, noch zu leben. Zu sehen, wie das Dunkel des Himmels der normalen Dämmerung wich.
    Jetzt kehrte die Kraft des Amuletts auch hier draußen zurück. Aber die Hexe war fort, die Chance, etwas gegen sie zu unternehmen, war vertan.
    Zamorra mußte damit rechnen, daß sie sich irgendwann wieder bei ihm meldete, um ihn erneut zu bedrohen.
    Suchend sah sich Zamorra nach dem Lachenden Tod um. Aber der war ebenso verschwunden wie die Hexe. Nur Merlin und Asmodis waren noch hier.
    »Warum habt ihr nicht eingegriffen, als ich in diesem verdammten Killerkäfig steckte?« stieß Zamorra zornig hervor.
    Keiner der beiden ging darauf ein.
    »Ich bedaure, daß es so gekommen ist«, sagte Merlin. »Ich sehe diese alte Hutzelhexe höchst ungern in meinem Reich, erst recht nicht in meinem Zauberwald.«
    »Was gibt's da schon Geheimnisvolles zu verbergen?« lachte Asmodis spöttisch auf. »Ein paar Einhörner, der Jungbrunnen, die…«
    »Elender Schwätzer!« fuhr Merlin ihn ungewohnt heftig an. Der Ex-Teufel verstummte, grinste aber immer noch.
    »Ich wünschte, ich hätte das nicht tun müssen«, sagte Merlin.
    »Sicher wäre es dir lieber gewesen, Yaga hätte mich ermordet, wie?« knurrte Zamorra.
    »Dein Leben war nie wirklich in Gefahr«, sagte Sid Amos.
    Da war Zamorra entschieden anderer Ansicht.
    »Glaube ihm«, sagte Merlin zu seiner Überraschung. »Er hat dich nicht belogen.«
    Er machte einen raschen Schritt vorwärts - und war verschwunden.
    »Und du tauchst mir noch nicht so schnell ab«, stieß Zamorra hervor und hielt Amos am Arm fest. Er war nicht daran interessiert, den Ex-Teufel jetzt ebenfalls vor seinen Augen verschwinden zu sehen und selbst als letzter allein hier in dieser sibirischen Aprilkälte

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