0641 - Geisterbahn
es klappte, wenn ich mich sehr schmal machte und den Bauch einzog. Natürlich war es auch für mich ein Risiko. Ein falscher Tritt, ein schlechter Griff, und ich landete neben Suko.
Nach links warf ich mich aus dem Fahrzeug, das in eine entsprechende Kurve gerollt war, damit ich es noch schaffte, den Schwung auszunutzen.
Ich fiel dem Gestänge entgegen, fasste zu und turnte daran wie ein Artist. Sehr schnell hatte ich eine Querstange ertastet, auf die ich meine Füße stellen konnte.
Das Ausruhen dauerte nur Sekunden, der Wagen aber rollte mittlerweile weiter. Mein Weg lag vor mir. Ich musste nach links klettern und irgendwie zusehen, dass ich den Boden der verdammten Geisterbahn erreichte. Das Gestänge mit seinen Querstreben kam mir dabei zu Hilfe. Daran konnte ich nach unten klettern, mich mit den Händen seitlich festklammern und schaffte es, Schritt für Schritt in die Dunkelheit zu entweichen. So wurde ich auch nicht von den nachfolgenden Fahrgästen gesehen, die in ihren Wagen hockten.
Was ich vorhin als Schnee angesehen hatte, waren dicht geknüpfte Fäden, die wie ein gewaltiges Spinnennetz über dem Boden lagen, aber nicht die Härte zeigten, die nötig war, um einen Menschen aufzuhalten.
Einmal rutschte ich aus, konnte nachfassen, mich halten und kletterte tiefer.
Ich schaute über die Schulter zurück. Nicht weit entfernt und in einer schrägen Lage zu dieser gefährlichen Tür hin entdeckte ich ein Gestell. Beim ersten Hinsehen hatte es Ähnlichkeit mit einer Bühne, auf der sich alles abspielte.
Dort bewegten sich auch Figuren. Für mich sah es aus, als würden sie an einer Stange hängen, was nicht stimmte. Es war ein Mehrfach-Galgen, an dem fünf Schlingen befestigt waren, in denen fünf Menschen hingen, die verdammt echt aussahen.
Ein fast nackter Henker stand daneben, betätigte einen Hebel, wobei sich unter den Füßen der Gestalten Klappen öffneten. Die Puppen in den Schlingen ruckten, sodass ihre Körper pendelten und allmählich ausschwangen.
Nicht weit entfernt führte die Schiene vorbei. Wer in einem der Wagen saß, brauchte seinen Kopf nur nach rechts zu drehen, um sich die Szene anschauen zu können.
Fünf Personen schaukelten in den Schlingen.
Nein - sechs!
Jetzt, wo sich mein Blickwinkel verändert hatte, erkannte ich den sechsten Körper, aber der hing nicht in der Schlinge, sondern daneben wie eine gekippte Fahne.
Er war gegen einen aufgestellten Mast gefallen, an dessen Ende sich tatsächlich eine echte Flagge bewegte. Schwarzer Untergrund mit weißem Knochenschädel.
Und die Gestalt, die dort hing, war mein Freund, der unglaubliches Glück gehabt hatte, denn die stumpfe Spitze des Fahnenmastes hatte ihn aufgehalten.
Sie war an seinem Körper vorbei unter die Kleidung gedrungen und hatte sich in Höhe des linken Ärmels verhakt, sodass die Jacke zusammen mit dem Fahnenmast meinen Freund in dieser Lage hielten, die trotzdem lebensbedrohend war, denn ewig würde der Stoff nicht halten.
Um ihn zu erreichen, musste ich auf die Bühne. Einfach war das nicht. Ein Sprung über die Schiene würde es bringen.
Ich überlegte nicht mehr lange, winkelte meinen Körper an und gab mir mit beiden Beinen den nötigen Schwung.
Dann sprang ich.
Über die Schiene flog ich hinweg. Genau in dem Augenblick, als unter mir ein Wagen entlang fuhr und ich in das bleiche, erschreckte Gesicht eines weiblichen Fahrgastes schaute, der nicht mehr wusste, was überhaupt geschah.
Mit einem lauten Poltern landete ich auf dem Holzboden der Bühne und rammte noch mit der rechten Schulter gegen einen Aufgehängten, dessen Körper in heftige Schaukelbewegungen geriet und mit den nackten Füßen einen vorbeifahrenden Wagen berührte.
Suko hing an der Bühnenseite. Das Gestell selbst stand vom Untergrund her ziemlich hoch ab. Während meiner Klettertour hatte ich gesehen, dass es von langen Stangen oder Säulen gehalten und somit eine gewisse Sicherheit garantiert wurde.
Hinter den Aufgehängten bewegte ich mich entlang und schritt auf meinen Freund zu.
Der Mast war ziemlich wacklig. Er schwankte sogar, konnte jeden Augenblick brechen, und ich hörte bereits das gefährliche Knirschen. Blitzschnell sprang ich in die Höhe und riss Suko herab.
Der Mast knickte durch meine Mithilfe. Die Fahne flatterte nach unten und senkte sich auf uns nieder wie ein dunkles Leichentuch.
Suko begrub mich unter sich. Ich merkte jetzt, wie groß sein Gewicht war.
Dennoch tat mir sein Stöhnen gut. Ein Beweis dafür,
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