0654 - Unter dem Vampirmond
fertig!«
»Ich bringe niemanden um«, sagte Joel Wisslaire. »Aber man darf doch mal träumen, oder?«
***
Auch die Vampirin erlaubte es sich, zu träumen.
Den Traum von Macht…
Michelle, wie sie sich nennen ließ, wenn sie sich zwischen Menschen bewegte, träumte ihn manchmal. In letzter Zeit immer öfter. Sie wollte nach ganz oben, wollte herrschen.
An der Spitze war ein Platz frei geworden.
Es hieß, Sarkana sei tot.
Sarkana, der Sippenführer. Der mächtige alte Vampir, der sogar Asmodis getrotzt haben sollte, der die Damon-Ara überlebt hatte, der seit undenklichen Zeiten seinen Clan führte.
An seine Stelle zu treten - das war gerade so, als würde man die Herrschaft über alle Vampirfamilien antreten. Und da die Vampire ohnehin die Edelsten in der großen Schwarzen Familie der Dämonen waren, bedeutete es fast schon so viel Macht, wie sie ein Fürst der Finsternis innehatte.
Das war Michelles Ziel.
In den nächsten Tagen würde die große Versammlung stattfinden. Sarkanas Nachfolger sollte bestimmt werden.
Es gab viele Bewerber für dieses Amt. Denn Sarkanas Sippe war groß. Es gab viele kleine Gruppierungen, die sich Hoffnungen auf die Macht machten.
Sie lachte leise bei dieser Formulierung. »Macht macht sexy«, formulierte sie heiter weiter.
Und sie war sehr attraktiv, sehr sexy, das wußte sie. Sie wirkte auf Menschen ebenso wie auf Vampire. Das war einer ihrer großen Vorteile. Was sie wollte, erreichte sie meist durch Körpereinsatz.
Aber wenn es um die Nachfolge Sarkanas ging, war das nicht genug. Die Konkurrenz war zu groß, zumal es auch von anderen Vampirsippen Interessenten gab, die gern die Herrschaft übernommen hätten. Aber wir sind doch keine Firma, bei der der Chef-Posten in der Zeitung ausgeschrieben wird, dachte sie zornig. Wenn es jemanden gab, der Sarkanas Nachfolge antrat, dann durfte der nur aus seiner eigenen Sippe kommen. Und am besten war es, wenn diese Nachfolgerin den Namen Michelle trug.
Deshalb versuchte sie sich einen Vorteil zu verschaffen.
Eine spektakuläre Aktion, eine Falle für einen der größten Feinde der Schwarzen Familie!
Der Köder war ausgelegt.
Wenn der Dämonenjäger in diese Falle tappte, würde er sich Hunderten von Vampiren gegenübersehen.
Er hätte keine Chance, davonzukommen, ganz gleich, wie stark seine Magie war. Ihn zu der großen Versammlung zu locken, das war es! Er mußte kommen, und sie würden ihn vernichten.
Und Michelle würde als diejenige dastehen, die ihn in diese Falle gelockt hatte.
Das war das Pfund, mit dem sie wuchern konnte. Das sie für den Rang der Sippenführerin qualifizierte. Ihre Machtergreifung würde stets in einem Atemzug mit dem Tod des Dämonenjägers Zamorra genannt werden. Unangefochten würde sie herrschen bis ans Ende der Zeit.
Ein Traum von Macht…
Sie träumte ihn schon lange. Und immer öfter.
Jetzt verwirklichte sie ihn.
***
Zamorra hatte versucht, mit der Zeitschau des Amuletts mehr über die Vampirin herauszufinden. Aber da sie sich durch die Luft davonbewegt hatte, waren seine Möglichkeiten dahingehend mehr als begrenzt - selbst fliegen konnte er nicht. Sobald sie aus dem Erfassungsbereich des Amuletts hinaus war, konnte er ihr nicht weiter folgen.
Ihre Kleidung war im Auto zurückgeblieben. Erstens hatte sie bei Nicoles und Patricias Auftauchen keine Zeit mehr gefunden, die Sachen mitzunehmen, und zweitens hätte sie sie in ihrer Fledermausgestalt ohnehin nicht am Körper tragen können, sondern sie zusammengerollt in den Klauen mit sich schleppen müssen.
Robin ließ die Textilien sicherstellen, obgleich ihm klar war, daß das kaum weiterhelfen würde. Auch Ermittlungen in der Diskothek brachten garantiert nicht viel ein. Vampire bekam man nicht so einfach zu fassen.
Zamorra hatte sich das genaue Aussehen der Vampirin eingeprägt. Vielleicht gab es irgendwo Aufzeichnungen, die ihm weiterhalfen. Vielleicht kleinste Merkmale…
Solange niemand wußte, wo sich das Versteck der Vampirin befand, kamen sie nicht weiter.
Zamorra fuhr den Cadillac die etwa 60 oder 70 Kilometer zum Château Montagne zurück. Nicole kümmerte sich im Fond des Wagens um Lady Patricia und versuchte sie zu beruhigen und die schaurigen Erinnerungsbilder abzuschwächen. Teilweise gelang es ihr. Trotzdem war die Schottin noch ziemlich fertig, als sie das Château erreichten.
»Seltsam«, sagte sie. »Jedesmal, wenn ich mit dir einen Disco-Trip nach Lyon mache, passiert irgendwas Mörderisches. Damals die
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