066 - Marionetten des Satans
Spitzenkleid so merkwürdig angestarrt, als sie es Ihnen zeigte. Vielleicht haben Sie auf das Kleid, auf den Stoff allergisch reagiert. Haben Sie schon einmal etwas Ähnliches erlebt?“
„Nein.“ Gab es wirklich eine so einfache Erklärung für ihre Ohnmacht? Nein, das war keine Allergie gewesen, sondern Angst. Eine übermächtige Angst, der sie mit Hilfe der Ohnmacht entflohen war.
„Schlafen Sie jetzt“, sagte Lou Davilla, der zu ahnen schien, wie angestrengt sie nachdachte.
„Sie brauchen Ruhe. Merry wird da sein, falls Sie irgend etwas brauchen. Heute nachmittag werden wir hier im Zimmer die Probe abhalten.“
„Ich möchte aufstehen, Lou. Es geht mir jetzt ganz gut. Ich weiß zwar nicht, was mit mir passiert ist, aber …“
Natürlich wußte sie es. Das Unbekannte bedrohte sie, mit schrecklicher Gewalt. Was immer sie auch bedrohte, sie mußte zum Telefon …
Merry würde sie den ganzen Vormittag bewachen, und irgendwo lauerten der zwergenhafte George, die haßerfüllte Kate darauf, bei ihr einzudringen … Nein, sie wollte sich nicht überrumpeln lassen.
„Wirklich, Lou, ich möchte nicht, daß man sich meinetwegen unnötige Umstände macht.“
„Keine Widerrede mehr. Sie bleiben liegen, und Merry paßt auf Sie auf. Das macht überhaupt keine Umstände.“ Er wandte sich Merry zu. „Bringen Sie Julie ein Frühstück, etwas Leichtes, aber Nahrhaftes.“
„Lou, ich bin nicht hungrig.“
„Der Arzt sagte, daß Sie essen müssen.“
„Warten Sie nur, Julie“, sagte Merry. „Wenn Sie sehen, was ich Ihnen bringe, werden Sie schon Appetit bekommen. Das Kochen habe ich von meinen deutschen Vorfahren gelernt.“ Sie eilte in die Küche.
„Ich muß nicht wie ein Kind verhätschelt werden, Lou“, protestierte Julie. „Ich möchte aufstehen.“
„Unsinn, Julie.“ Er beugte sich tiefer über sie. „Sie müssen erst zu Kräften kommen. Und wenn Sie sich nicht ganz gesundfühlen, verschiebe ich die Premiere.“ Er machte eine Pause. „Julie, ich glaube, Sie haben schon bemerkt, daß Sie mir sehr viel bedeuten.“ Dunkle Augen, in denen sich das Sonnenlicht spiegelte, schauten sie an. Tigeraugen … Wie hypnotisiert erwiderte sie seinen Blick.
„Lou – ich …“
„Du mußt es gespürt haben, vom ersten Augenblick an. Ich möchte dich nicht drängen oder dich mit meinen Gefühlen verwirren, Julie. Das wäre unfair. Besonders jetzt, wo du dich auf anderes konzentrieren mußt. Ich wollte nur, daß du es weißt. Verstehst du?“
Wieder griff seine Hand nach der ihren, die sie ihm diesmal nicht entzog. Aber alles in ihr sträubte sich gegen diesen Mann. Schlaff hing ihre Hand zwischen seinen Fingern. Aber dann durchlief sie plötzlich ein Schauer. War es Verlangen oder Abscheu?
„Was ist, Julie? Habe ich dich erschreckt?“
„Nein“, flüsterte sie mühsam.
Aber ihr ganzer Körper zuckte, sie fühlte sich zu ihm, dem Beherrscher ihrer Alpträume, wie magisch hingezogen. Sie schloß die Augen, und ein schmerzhaftes Begehren, berührt zu werden, wurde übermächtig in ihr. Seine Lippen berührten die ihren, immer fordernder wurde sein Kuß …
Entsetzen und Entzücken stritten in ihr …
Nein!
Sie riß sich los, öffnete die Augen, las den Triumph des Eroberers in seinen Augen.
„Verzeih mir, Julie, ich möchte dich nicht bedrängen.“ Abrupt stand er auf, ging zur Tür und wandte sich noch einmal um. „Bis später, Julie. Schlaf jetzt, Julie. Julie …“
Und plötzlich war der Pferdehuf wieder da, der auf dem weißen Spitzenkleid stampfte. Der Altar – das Messer …
Leise fiel die Tür ins Schloß.
Wie konnte es geschehen, daß sie ihn gleichzeitig verabscheute und herbeisehnte? Was hatte diese verwirrende Verbindung von Furcht und Verlangen zu bedeuten?
Mit jeder Minute näherte sie sich dem Ende. Welchem Ende? Mit jeder Minute gewannen die Mächte, die sie in der Gewalt hatten, an Stärke. Aber was hatten sie mit ihr vor? Wer waren sie? Sie fand keine Antwort.
Aber sie würde ihnen widerstehen, ihr Spiel vereiteln. Sie mußte mit Mike sprechen, rasch. Solange Merry in der Küche herumrumorte, hatte sie Zeit. Aber sie mußte sich beeilen. Merry konnte jeden Augenblick zurückkehren. Sie lief zum Telefon, hob den Hörer ab, ein Summton erklang. Sie wählte Mikes Nummer, das Summen tönte weiter. Sie wartete. Keine Antwort …
Dann fiel es Julie ein. Mike hatte ihr gesagt, daß ihr Telefon nicht funktionierte, und sie hatte Lou gebeten, sich um die Reparatur
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