066 - Marionetten des Satans
Charakterstudie. Sie sind eine sehr begabte Schauspielerin.“
„Vielen Dank.“
„Danach blätterte ich die Fernsehprogramme durch. Aber Ihr Name tauchte nirgends mehr auf. Waren Sie mit Werbefernsehen beschäftigt?“
„Nein, aber ich wollte, das wäre der Fall gewesen.“
„Eine Schande! Sie wollen doch nicht etwa sagen, Sie seien seit jenem Fernsehspiel nicht mehr beschäftigt gewesen?“
„Genau das. Ich habe oft vorgesprochen … Aber Sie kennen ja sicher die Branche und wissen, was da los ist. Vierzig Frauen bewerben sich um dieselbe Rolle. Entweder ist man zu dick oder zu klein, zu alt oder zu jung. Ich komme gerade von einem solchen Probesprechen, und wie gewöhnlich hatte ich keinen Erfolg. Deshalb freue ich mich besonders über das Kompliment, das Sie mir gemacht haben“, schloß sie lächelnd.
„Das war nicht nur ein Kompliment, Miß Wallace. Es war die Einleitung zu einem Vorschlag, den ich Ihnen machen möchte.“
Er wartete ein paar Sekunden, um ihre Reaktion zu beobachten.
„Ihre Spielweise ist genau die, die ich suche. Auf der Bühne wird Ihre Eigenart noch strahlender wirken als vor der Kamera. Deshalb kam ich heute hierher. Ich hoffte, Ihnen zu begegnen. Sie beobachten zu können und eine Entscheidung herbeizuführen.“
„Oh …?“
„Sie sind sehr attraktiv, sogar schön. Und Sie wirken warmherzig und hingebungsvoll. Ich konnte nicht umhin, das liebevolle Zwischenspiel zwischen Ihnen und Ihrem Freund mit anzusehen. So etwas kommt über die Rampe, und das Publikum muß einfach reagieren. Und deshalb frage ich Sie, ob Sie daran interessiert sind, meiner Truppe beizutreten.“
Eine innere Stimme riet ihr abzulehnen, obwohl sie einen Job dringend nötig hatte.
„Ich weiß nicht …“, begann sie zögernd.
„Die Gage ist nicht besonders hoch“, fuhr er fort. „Aber ich könnte Ihnen mehr als das Grundgehalt meiner Truppe anbieten. Genug, um davon anständig leben zu können. Außerdem haben Sie eine Sicherheit. Nun …“ Er wartete ein paar Sekunden. „Sind Sie interessiert?“
Interessiert?
Guter Gott, dachte Julie, eine feste Anstellung an einem Theater, eine Chance, den Lebensunterhalt zu verdienen … Langsam, Mädchen, sagte sie sich. Das geht alles so schnell. Ich will keine raschen Entschlüsse fassen, die ich später bereuen muß.
„Vielleicht“, sagte Julie. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander.
„Ah!“ Er lachte amüsiert. „Vielleicht! Ich brauche eine definitive Antwort, Miß Wallace, und zwar rasch. Ich möchte mit den Proben beginnen. Außerdem – als ich hörte, daß Sie ein Apartment suchen, dachte ich, ich könnte Ihnen das kleine Haus als Köder hinwerfen. Auch für mich wäre das sehr praktisch. Ich bekäme eine reizende Untermieterin und eine begabte Schauspielerin auf einen Schlag.“
Sein Charme begann sie einzulullen. Sie verspürte einen starken Drang, einen Schritt vorzutreten und ja zu sagen, aber sie hielt sich zurück.
Du kennst den Mann ja gar nicht, sagte ihr ihr Verstand. Und in dieser Branche gibt es so viele Verrückte. Leute ohne einen Cent, die vorgeben, große Produzenten zu sein. Männer, die mit verlockenden Angeboten Schauspielerinnen verführen wollen. Vielleicht gehört dieser Mann auch dazu.
Sie musterte ihn. Nein, das war unwahrscheinlich. Er war so elegant, so sicher in seinem Auftreten. Aber ich weiß ja nicht einmal seinen Namen.
Als ob er ihre Gedanken lesen könnte, reichte er ihr beide Hände.
„Ich benehme mich unmöglich. Verzeihen Sie, Miß Wallace. Gestatten Sie, daß ich mich vorstelle. Lou Davilla, Theaterdirektor. Und …“ Er lächelte und umfaßte ihre Finger, worauf sie eine seltsame Schwäche fühlte. „Und ein unverbesserlicher Optimist. Deshalb frage ich Sie noch einmal. Wollen Sie sich mein Angebot überlegen? Kommen Sie doch wenigstens und sehen Sie sich das Haus und das Theater an. Ich kann Ihnen beinahe garantieren, daß Sie sich in beides verlieben werden.“
Er ließ ihre Hände los und wandte sich ab. Sie starrte ihm nach und umklammerte die Karte. Sie war völlig verwirrt.
Es regnete vier Tage lang, und Julie redete sich ein, daß das ihre Entscheidung hinausschob. Bei diesem Wetter konnte sie sich ja nicht das Haus ansehen. Immer wieder holte sie die Karte hervor und las sie. Dabei hörte sie seine sanfte, schmeichelnde Stimme. Aber sie konnte sich nicht dazu aufraffen, zum Telefon zu gehen. Irgend etwas hielt sie davon ab.
Es hatte sie ein wenig schockiert, als er
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