0664 - Satan in Weiß
ein Zimmer zu bekommen.«
»Und was machst du,«
»Ich fahre nach Wittenberg.«
Für einen Moment irrten die Gedanken durch meinen Kopf. »Wenn es stimmt, haben sie es verdammt schlau angestellt. Ich bleibe hier, du fährst nach Wittenberg, eine geteilte Kampfkraft. Das kann ins Auge gehen. Leider für uns.«
»Glaubst du ihnen nicht?«
»Doch, ich glaube ihnen. Ich glaube ihnen alles, was mit Nadine Berger zusammenhängt. Und das wissen die auch, Suko.«
»Dann nimm dir ein Taxi und fahr los. Bestell aber zuvor das Zimmer.«
Suko behandelte mich wie ein kleines Kind. Ehrlich gesagt, in diesen Minuten fühlte ich mich auch so. Ich kam mir so hilflos vor wie eine Puppe, die an den Fäden anderer hing. Meine Beine waren müde geworden. Beim Gehen schlich ich daher wie ein Greis. Das mit dem Zimmer regelte Suko für mich.
Ich konnte dort wohnen. Er bestellte es für zwei Tage. Über Berlin lag ein dunstiger Himmel. Mein Freund brachte mich bis zu einem Taxistand.
»Du weißt, wo du mich in Wittenberg erreichen kannst?«
»Ja, auf dem Polizeirevier.«
»Okay, Alter, halte die Ohren steif.«
»Selber.«
Er verabschiedete sich winkend, und aus dem gelben Taxi heraus fragte die Stimme des Fahrers im breiten Berlinerisch: »Wollen Sie jetzt gefahren werden oder nicht?«
»Doch, doch.« Ich stieg ein, stellte den Koffer neben mich auf den Rücksitz.
»Wohin?«
»Kempinski.«
»Alles klar, Meister.«
Er fuhr an, wollte sich auch unterhalten, merkte jedoch sehr schnell, dass ich auf seine Worte nicht achtete. Ich hatte auch kein Auge für die Umgebung draußen.
Meine Gedanken drehten sich einzig und allein um die Nachricht, die von Nadine Berger handelte.
Hielt sie sich tatsächlich hier in Berlin auf? Wenn ja, in welche Falle wollte man mich dann locken…?
***
Suko fuhr über die Avus in Richtung Süden. An der alten Rennstrecke standen noch die Holztribünen aus den dreißiger Jahren, ein Hauch von Nostalgie, der hier erhalten geblieben war.
Das Tempolimit wurde auch von Suko nicht überschritten. Nachdem er die Innenstadt hinter sich gelassen hatte, flachte der Verkehr merklich ab. Der Grünewald grüßte in seinem herbstlich gefärbten Kleid. Das Laub schimmerte, als wäre es vergoldet worden. Es war ein Fest für die Augen, trotz des trüben Wetters.
Bald hatte Suko den ehemaligen Grenzübergang erreicht. Nicht weit entfernt lag der Wannsee. Er sah auch ein Hinweisschild auf Babelsberg, dieses große, alte Filmgelände, das Europas größte Studioanlagen beherbergt hatte und nun allmählich verkam, weil sich keiner mehr zuständig fühlte.
Durch das berühmte Potsdam fuhr er nicht, blieb auf der Transitstrecke noch eine Weile, um irgendwann auf der B2 zu landen, die in Richtung Beelitz - Treuenbrietzen führte.
Zum ersten Mal bekam Suko so richtig das Holperpflaster Ostdeutschlands unter die Reifen. Da war es gut, dass die Geschwindigkeit begrenzt wurde.
Er konnte auf der Straße bleiben, die geradewegs auf die Lutherstadt Wittenberg zuführte.
In Treuenbrietzen allerdings hielt er dicht neben einer einsam stehenden Telefonzelle an. Er sprang über eine große Pfütze und hoffte, nach Wittenberg durchzukommen.
Auch Polizisten haben hin und wieder Glück. Suko schaffte es beim ersten Anlauf.
Harry Stahl zeigte sich ebenfalls geschockt, als ihm der Inspektor vom Verlauf des Falles berichtete. Er konnte es nicht fassen, musste es aber akzeptieren, nur von einem Mann Unterstützung zu bekommen. Alles Weitere wollten sie später besprechen.
Von Staus blieb Suko verschont. So kam er sicher durch. Nur wenn ihm russische Lkw entgegenkamen, bekam er leichtes Magendrücken, denn die Straße war ziemlich schmal, und manche Fahrer fuhren wie die Henker.
Er sah die weiten graugrünen Felder, über denen ebenfalls der dünne Dunst hing. Auf manchen Flächen brannten auch kleine Herbstfeuer, in deren Flammen Kartoffeln gegart wurden.
Das Ortschild Lutherstadt Wittenberg ließ ihn aufatmen. Linkerhand wuchsen graue Einheitskästen hoch. Wohnsilos der schlimmen Sorte, schnell hochgezogen, mit schlechten Materialien gebaut. Das alte Regime hatte die Menschen betrogen, wo es nur möglich gewesen war.
In der Stadt selbst zerfiel die alte Bausubstanz. Da gab es kein Haus, das nicht hätte renoviert werden müssen. Bei manchen wuchs das Unkraut aus den Dachrinnen.
Und doch war der westdeutsche Einfluss zu merken. Plakate, auch wenn es nur Werbung war, sorgten mit ihren frischen Farben für ein wenig
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