0664 - Satan in Weiß
Augen geschlossen gehabt. Nun öffnete er sie und sah die Gesichter der Männer über sich. »Ich wollte nichts essen. Ich kann nichts mehr essen. Ich will Blut, habt ihr gehört? Ich will nur das Blut haben.«
»Warum?« fragte Suko.
»Weil es mir Leben gibt. Man hat es mir versprochen. Es wird mir Leben geben.«
»Welches Leben?«
»Das immerwährende Leben, das ewige Leben. Das hat man mir versprochen. Er ist der Meister. Er weiß allein, wie…«
»Vergessen Sie Sheldon Drake. Seine Zeit hier ist abgelaufen. Wir werden ihn stoppen.«
Ewald lachte Suko aus. »Nein, ihn kann keiner stoppen. Auch du wirst es nicht schaffen.«
»Abwarten.«
Gerd Naumann kam nickend zu ihnen zurück. »Ja, es hat geklappt. Sie werden einen Wagen schicken.«
»Gut.« Suko nickte. »Dann können wir ihn nach vorn tragen.«
Erst als Ewald schon schwebte, stellte er eine Frage: »Wo bringt ihr mich denn hin?«
»In Sicherheit.«
»Ich will zu…«
»Du wirst Drake nicht mehr sehen, mein Junge. Sei froh, wenn du durchkommst und laufe nicht mehr den Sprüchen falscher Propheten nach. Das hat keinen Sinn.«
Gerd Naumann, der vorausgeeilt war, hatte drei Stühle in einer Reihe aufgestellt. Die Fläche war lang genug, um dem Kranken den nötigen Platz zu geben.
Seine Haut erinnerte an das herbstliche Laub. Sie sah aus, als würde sie verwelken. Die Augen hatten sich tief in die Höhlen zurückgezogen. Das dünne Haar wirkte gepudert, und die sich farblich vom Gesicht kaum abhebenden Lippen zeigten Risse wie ein alter Gummischlauch.
Timo Schneider kam mit einem Glas Wasser. »Hier, das wird ihm wohl gut tun.«
»Danke.« Gerd Naumann nahm es an sich. Er wollte den Mann trinken lassen, doch Ewald stieß mit dem Kinn gegen das Glas, so dass Wasser überschwappte.
»Neiiinnn«, keuchte er. »Ich will Blut. Ich muss Blut bekommen! Er soll es mir bringen.«
»Drake ist nicht da!« erklärte Suko.
»Bringt mich zu ihm.«
Von draußen fiel das flackernde Drehlicht des Krankenwagens in den Polizeiraum. Wenig später kümmerten sich zwei Sanis und ein Arzt um den Mann. Der Doktor schüttelte den Kopf. »Was ist denn mit ihm geschehen? Das sieht nicht gut aus.«
»Untersuchen Sie sein Blut, er braucht wohl eine Transfusion«, sagte der Kommissar. »Mehr kann ich Ihnen leider auch nicht sagen.«
»Ja, mal schauen.«
Die Helfer legten den Verletzten behutsam auf die Trage und trugen ihn weg. Naumann begleitete sie. Harry Stahl und Suko blieben zurück.
Beide nickten sich zu.
»Dann werden wir uns mal die Klinik aus der Nähe anschauen, Harry. Ich bin schon ganz wild darauf.«
»Und ich fahre Sie hin.« Gerd Naumann hatte die Worte gehört. »Den Weg kenne ich gut.«
»Einverstanden. Allerdings nehmen wir zwei Wagen.«
»Ist mir recht.«
Suko wandte sich an Timo Schneider. »Sie bleiben bitte hier. Sollte ein gewisser John Sinclair anrufen, nehmen Sie das Gespräch bitte auf Kassette auf.«
»Das haben wir nicht.«
»Okay, dann schreiben Sie es auf.«
»Ich werde es versuchen.«
Suko schlug Harry Stahl auf die Schulter. »Komm, mein Junge, ich lasse Vampire nicht gerne warten…«
***
Es war zwar kein Vampirwetter - also Vollmond und Dunkelheit -, doch der Dunst über den Feldern und der düstere Himmel reichten schon aus, um der Landschaft einen gespenstischen Eindruck zu verleihen.
Durch dieses düstere Gelände bewegten sich nur wenige Fahrzeuge, denn abseits der normalen Straßen fuhr normalerweise freiwillig kaum jemand. So fielen auch die beiden Fahrzeuge auf, die in die Weite der Fluren rollten und ein Ziel anvisierten, das dort liegen musste, wo auf einer flachen Hügelkuppe ein pilzförmig angeordneter Wald wuchs.
Harry Stahl, der an dem Hinterreifen des Polizei-Wartburgs klebte, nickte ein paar Mal, als er das Waldgebiet mit den pilzkopfförmigen Ausmaßen sah. »Da oben muss es irgendwo sein. Das hat uns der gute Naumann ja erzählt.«
Suko nickte nur. Er hatte sich gedanklich mit Berlin und seinem Freund John Sinclair beschäftigt und sich gefragt, wie es dem Geisterjäger wohl ergehen würde.
Die Strecke war schlecht. Ein Weg, auf dem nur hin und wieder Asphaltstücke zu sehen waren. Ansonsten bestand er aus feuchter blanker Erde, auf denen hin und wieder die Pfützen des letzten Regens wie dunkle Augen schimmerten.
Als Begleiter war ihnen schon längst der dunkle Schwärm der Raben aufgefallen, die hoch über ihnen durch den düsteren Himmel flogen wie Todesboten, die sich der düsteren Landschaft
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