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Schneerose (German Edition)

Schneerose (German Edition)

Titel: Schneerose (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maya Shepherd
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    Ihre Füße sind
blutig und verbrannt von dem heiß glühenden Sand der Wüste. Die Sonne knallt
auf ihren unbedeckten Kopf, sodass sich die Haut ihres nackten Körpers bereits
zu schälen beginnt. Vor Wassermangel sind ihre Lippen gesprungen und
aufgerissen. Sie wirkt dem Tode geweiht, doch der Schein trügt. Wie eine
Schlange wirft sie nur ihre alte Haut ab, um in neuer Blüte wieder
aufzuerstehen.
    Aber selbst mit
geschuppter Haut und kaum noch menschlichen Gesichtszügen würde ihr jeder Mann,
der sie nur für den Bruchteil einer Sekunde erblickt, unwiderruflich verfallen.
Einer Fata Morgana gleich würde er sich vor ihre verkohlten Füße werfen, bereit
zu tun, was auch immer sie von ihm verlangt. Ohne Wenn und Aber. Doch sie würde
nur an ihm vorbei gehen, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen, während
er vor Kummer und Sehnsucht nach ihr vergehen würde. Nicht ein Mann wird es je
wieder wert sein, dass sie ihre blutroten Augen auf ihn richtet.
    Verrat ist der
treueste Begleiter des Mannes. Den Ersten verließ sie aus freien Stücken, weil
er ihren Stolz brechen wollte, um sie sich zur willenlosen Sklavin zu machen.
Der Zweite, der ohne sie nicht mehr über diese Welt wandeln würde, verstieß sie
aus Angst, ihr untertan zu sein. Sie nahm den Verlorenen auf, als er einsam war,
und gab ihm Nahrung, Wärme und Liebe. Eine Liebe, welche die Ewigkeit hätte
überdauern können. Aber er zog die Unwürdigen ihr vor, weil er ihre Schönheit
und Macht erkannte und wusste, dass er nie mit ihr gleichgestellt sein würde.
    Es wäre ein
Leichtes gewesen, ihn auszulöschen, doch gebietet sie über die Zeit. Ihr Leben
ist länger als das einer jeden anderen, warum sollte sie also sofort beenden,
womit sie sich Jahrhunderte lang die Zeit vertreiben kann? Geduld ist eine
Tugend, über die nur die Wenigsten verfügen, doch sie kann warten. Sie wird
sich im Verborgenen als stille Beobachterin halten, so lange, bis er anfängt,
sich in Sicherheit zu wiegen, denn vergessen könnte er sie nie. Niemand, der
ihr je begegnet ist, könnte sie vergessen.
    Getrieben von
Hass setzt sie Tag und Nacht einen Schritt vor den anderen. Es bleibt ihr die
Unendlichkeit, um ihre Rache zu planen. Und wenn sie dann eintritt, wird keiner
sie erwarten, wodurch sie nur noch grausamer und erbarmungsloser sein wird.
    Sie wird seine
widerwärtige Schöpfung zerstören, bis nicht mal mehr eine von seinen Kreaturen
übrig bleibt, denn sie sind schwach und ohne Hoffnung. Anders als ihre Kinder,
die vor Schönheit und Stärke erstrahlen werden. Sie sollen die wahren Bewohner
der Erde sein. Perfekt bis
ins kleinste Detail, mit einem Kopf, der zum Denken und Herrschen da ist, und
nicht nur reine Zierde. Als ihre
Füße endlich den Strand des roten Meeres erreichen, zischt das Wasser als es
sie berührt. Es verbrennt auf ihrer heißen Haut wie auf glühenden Kohlen und umflutet
sie mit einem dampfenden Nebelschleier, während sie weiter in die See tritt.
Der Dunst breitet sich über den gesamten Strand aus. Erst als sie den Ozean
wieder verlässt, lichtet sich der Nebel. Ihr Haar erstrahlt feuerrot in der
untergehenden Sonne und bildet einen Kontrast zu ihren smaragdgrünen Augen.
Verschwunden ist die schuppige, verbrannte Haut, an derer statt sich eine neue Schicht
gebildet hat, welche weicher und straffer ist als die eines neugeborenen Babys.
    Die Göttin des
Lebens ist erwacht, so jung wie die Welt selbst. Und erst wenn die Erde
zerbricht, wird sie aufhören zu sein.

 
 

Ganz klein hat
sie sich auf dem harten Stuhl gemacht und richtet ihren Blick stur geradeaus.
In ihrem rechten Ohr steckt ein Kopfhörer, aus dem, nur für sie hörbar, die
ersten Töne von Metallicas „Nothing else matters“ dringen. Mit dem linken Ohr
sollte sie eigentlich der Predigt ihres Geschichtslehrers über die Auswirkungen
des ersten Weltkriegs zuhören, doch stattdessen lauscht sie jeder anderen leise
gezischten Stimme in dem viel zu vollen Klassenzimmer. Durch ihren Platz in der
letzten Reihe sieht sie wenigstens, wenn die anderen   Schüler sich, wie sie glauben, unauffällig zu
ihr umdrehen, um dann miteinander zu tuscheln. Auch wenn sie, dank der Musik,
nicht jedes Wort ihrer Gespräche mitbekommt, spürt sie doch immer ihre
gehässigen Blicke auf sich. Sie legen sich wie ein Seil eng um ihren Hals und
umschließen ihn gerade so fest, dass es unangenehm drückt und sie manchmal,
wenn es allzu schlimm ist, nach Luft schnappen lässt. Aber nie feste genug,

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