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0691 - Schwester der Nacht

0691 - Schwester der Nacht

Titel: 0691 - Schwester der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Barkawitz
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über unerklärliche Phänomene halten. Deshalb waren Nicole und er überhaupt von Château Montagne nach Paris gekommen. Umso dankbarer war der Professor dafür, dass er sich jetzt am Nachmittag noch etwas Bewegung verschaffen konnte.
    Paris ist ganzjährig eine Touristenstadt. Daher wunderte sich der Dämonenjäger weder über die deutschen noch über die japanischen Urlaubergruppen, die sich an ihm vorbeischoben und »typische Straßenszenen« fotografierten.
    Sogar ein zusammengesunkener Clochard wurde immer wieder abgelichtet, was Zamorra entwürdigend fand. Dem armen Kerl würde es bestimmt nicht gefallen, bei einem Diaabend in Tokio oder München als Pariser Touristenattraktion auf die Leinwand geworfen zu werden.
    Zamorra musterte die abgerissene Gestalt genauer. Der Vollbart des Clochards schien von Motten zerfressen zu sein. Sein Mantel war so dreckig, als ob er damit den Gehweg sauber gewischt hätte. Und seine Füße waren mit Papierfetzen umwickelt. Darüber trug er aufgeplatzte Schuhe.
    Der Parapsychologe nahm einen Franc-Schein und steckte ihn sorgsam in den Hut des Bettlers. Dabei beugte er sich weit hinunter, damit der Wind die Banknote nicht wegwehte.
    Zamorra las das Datum auf einer der Zeitungen, die dem Bettler als Socken dienten.
    11. März 1853.
    Der Dämonenjäger war sehr reaktionsschnell. Doch in diesem Fall zeigte ihm auch sein magisches Amulett, das er wie immer am Silberkettchen um den Hals trug, keine dämonische Gefahr an.
    Er bemerkte, wie die Gestalt des Bettlers plötzlich feinstofflich wurde. Sein Körper wurde unsichtbar, als hätte er nie existiert.
    Zamorra befand sich in seinem Bannkreis.
    Die deutschen und japanischen Touristen strebten zum Place de la Concorde, wo ihre jeweiligen Busse warteten. Für den späten Nachmittag stand noch ein Besuch im Schloss von Versailles auf dem Programm. Die Reisegruppen hatten Verspätung und mussten sich beeilen.
    Niemand bemerkte, dass sich der Bettler und der hoch gewachsene Mann in der modischen Wetterjacke von einem Moment zum nächsten in Luft aufgelöst hatten.
    ***
    Zamorra spürte seinen Körper nicht mehr.
    Auch die Anwesenheit von Merlins Stern war ihm nicht bewusst. Obwohl er genau fühlte, dass sein Amulett noch vorhanden war. Wer immer ihn auch in eine andere Dimension entführt hatte, legte keinen Wert auf die magische Silberscheibe.
    Da Zamorra keinen Körper hatte, konnte er auch mit den normalen Sinnen nichts wahrnehmen. Doch der Geist des Dämonenjägers bemerkte, dass er nicht alleine war an jenem Ort, an dem er sich gerade aufhielt.
    »Wo bin ich?« Zamorras Bewusstsein formte die Worte. Es gab keine Zunge, die sie hätte aussprechen können.
    »In unserer Welt«, gab eine der Entitäten bekannt, die außer ihm im Raum waren. Falls man von einem Raum reden konnte.
    »Wer oder was seid ihr?«
    »Wir sind eine Gruppe von Wesen, die einmal Menschen waren. Manche Leute bezeichnen uns als Geister. Wie man uns nennt, spielt keine Rolle. Wir haben jedenfalls keine Körper, mit denen wir etwas tun können.«
    »Ihr könnt mich jedenfalls von der Rue du Faubourg Saint Honore wegzaubern«, sagte Zamorras Bewusstsein. »Meine Sekretärin wird sich Sorgen machen, wenn sie mich nicht findet.«
    »Sie wird dich finden, Zamorra«, versicherte der Geist. »Es wird nicht lange dauern, dir unseren Wunsch mitzuteilen. Nicole Duval wird noch einige Zeit in den Boutiquen benötigen . Sie ist eine kluge Frau, aber die Kleider haben es ihr angetan. Ich weiß, was Damen gefällt. Zu meinen Lebzeiten war ich selbst eine.«
    Zamorra erwiderte nichts.
    Diese feinstofflichen Wesen mussten ihn und sein Umfeld gut kennen. Sie wussten nicht nur seinen Namen, sondern auch den seiner Sekretärin. Und ihnen war ebenfalls bekannt, wie gerne Nicole Duval einkaufen ging. Aber das war jetzt nebensächlich. Etwas anderes hatte Zamorras Interesse geweckt.
    »Was ist das für ein Wunsch, den ihr habt?«
    »Dazu muss ich etwas weiter ausholen«, teilte der weibliche Geist mit. Da er keine Stimme und keinen Körper hatte, konnte man ihm auch kein Geschlecht zuordnen. »Unser Bruder Bartholomew hat die Fähigkeit, dann und wann seine alte Gestalt anzunehmen. Du hast ihn gesehen, Zamorra. Er war zu Lebzeiten ein Clochard. 1869 ist er an einer Lungenentzündung gestorben.«
    »Er hat sozusagen den Lockvogel gespielt.«
    »Genau. Wir wussten, dass du ihm Geld geben würdest. Weil du ein gutes Herz hast. So bist du in seine Nähe geraten. Und wir konnten dich hierher

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