0693 - Höllen-Amazonen
des Mahdi waren inzwischen abgezogen.
Ali Khalub machte sich allein auf den beschwerlichen Weg nach Ägypten. Als der Unteroffizier zwei Wochen später am Rande der Nubischen Wüste von einer britischen Militärpatrouille entdeckt wurde, war er halb verhungert und litt an Ruhr.
Im Feldlazarett von Assuan berichtete Ali Khalub von den Riesenamazonen und dem geheimnisvollen Ort Rasovia, wohin man Lieutenant O'Donnell und seine Soldaten verschleppt hatte.
Ein Militärgeistlicher, der sich für unerklärliche Dinge begeisterte, hörte sich die Geschichte an und schrieb sie auf. Für den Generalstab waren die Erzählungen die Fantasien eines Todkranken. Deshalb kam auch niemand auf die Idee, einen Rettungstrupp auszusenden.
Und ohne die Aufzeichnungen des Pfarrers wäre Ali Khalubs Abenteuer für immer in Vergessenheit geraten. Denn der junge nubische Corporal starb im Dezember 1885 im Militärlazarett von Assuan.
***
Herbst 2000, London, England
Selbstverständlich kaufte Nicole Duval das Buch. Der Preis konnte sich sehen lassen. Aber was war schnödes Geld im Vergleich zu der Möglichkeit, ein mystisches Geheimreich zu entdecken?
Außerdem musste die Dämonenjägerin pausenlos an die unsichtbare Kraft denken, die den Soldaten in die Luft geschleudert und verbrannt hatte. Was, wenn sich nun die Unsichtbaren hinter dieser Teufelei verbargen? Wenn dieses Rasovia seit ewigen Zeiten ein geheimer Stützpunkt von ihnen war?
Allerdings - warum hatten sie sich dann in den mehr als hundert Jahren, die dazwischen lagen, nie von sich reden gemacht? Erst vor einigen Jahren waren sie aus dem Nichts aufgetaucht, und Nicole konnte sich des Gefühls nicht erwehren, sie durch eines ihrer Abenteuer in anderen Welten überhaupt erst auf die Erde aufmerksam gemacht zu haben.
Andererseits lag es nahe, dass sie auch vorher schon hier gewesen waren. Denn sie galten als diejenigen, die überall im Universum Regenbogenblumen »anpflanzten«, um auf diese Weise schnell von einem Ort zum anderen wechseln zu können. Wie sie allerdings erstmals eine neue Welt erreichten, um dort die ersten Regenbogenblumen anzusiedeln, war nach wie vor ein Rätsel.
Rasovia doch eine Basis der Unsichtbaren …? Oder steckte noch etwas anderes dahinter? Vielleicht so etwas wie Laurins Zwergenreich, das nur über seinen steinernen Rosengarten in den Dolomiten erreichbar war?
Wenngleich Laurins Zwerge unbefugten Eindringlingen gegenüber nicht ganz so aggressiv waren, wie es hier geschildert wurde…
Vorerst blieb es bei der Spekulation.
Trotzdem konnte Nicole es kaum erwarten, Zamorra das Buch zu überreichen.
Um etliche Pfundnoten ärmer verließ die Dämonenjägerin das Kellerantiquariat. Im legendären Kaufhaus Harrods ließ sie das Magiebuch in der Geschenkabteilung hübsch verpacken.
Ein schwarzes Londoner Taxi brachte Nicole schließlich zurück zu dem kleinen Reihenhaus am Stadtrand, in dem Babs Crawford wohnte.
Kerrs Freundin hatte gerade zu Ehren von Zamorra und Nicole Kaffee gekocht, den sie eigens in einem französischen Spezialitätenladen besorgt hatte. Einheimischer Kaffee aus diesem Teetrinkerland wurde sowohl von den Besuchern als auch von Babs selbst als nicht genießbar eingestuft.
»Nanu.« Zamorra hob mit freundlichem Spott eine Augenbraue, als er die zwei Plastik-Tragetaschen in Nicoles Händen erblickte. »So wenig Einkäufe, Cherie? Sind die Klamotten in Londons Boutiquen von einem schwarzmagischen Scheußlichkeitsbann befallen?«
Nicole streckte dem Parapsychologen kokett die Zunge heraus und warf ihm sein Geschenk in den Schoss.
»Das ist für dich! Obwohl ich gar nicht weiß, womit du es verdient hast…«
Schnell packte Zamorra das Buch aus.
»Colonial Mysteries«, las er vom Titel ab und schlug den dickleibigen Band auf. Nicole setzte sich neben ihn auf das Sofa. Zamorra gab ihr einen Kuss. »Danke, Cherie! Aber warum…«
»Warum ich es dir geschenkt habe, Chef? Da stehen wirklich faszinierende Berichte drin, zum Beispiel die Sache mit dem Mahdi und den Riesenamazonen…«
»Mahdi?«, schaltete sich Babs ein, die auch für Nicole eine Kaffeetasse besorgt hatte. »War das nicht so ein Sektierer, der gegen die Kolonialherrschaft gekämpft hat?«
»Der Mahdi hieß ursprünglich Mohammed Ahmed Ibn Seyyid Abdallah«, erklärte Zamorra.
»Du lieber Himmel«, stöhnte Babs. »Darf ein einzelner Mensch einen so langen Namen haben? Den kann sich doch niemand merken, und auf eine Scheckkarte paßt er auch nicht!«
»Damals
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