0693 - Höllen-Amazonen
schmunzelte.
»Willst du auch eine solche wilde Kriegerin werden, Cherie?«
Nicole fletschte scherzhaft die Zähne.
»Das bin ich doch schon längst!«
Nach den Zoll- und Einreiseformalitäten bestiegen die beiden ein altersschwaches Taxi. Die Karre, ein russischer »Wolga« aus den Sechzigerjahren, war ein Erinnerungsstück an die sozialistische Phase des Sudan.
Der schwarze Fahrer blies ein riesiges rosa Bubblegum auf.
»Zur Mahdi-Gedenkstätte«, sagte Zamorra in fließendem Arabisch.
Das Kaugummi platzte. Der Taximann hieb den Gang hinein und rammte seinen Wagen in eine winzige Lücke des chaotischen Straßenverkehrs der Beinahe-Millionenstadt Khartum. Überladene Busse, Ochsenkarren, Radfahrer und PKWs kämpften sich nach dem Motto »Jeder gegen jeden« zu ihren Fahrtzielen.
Zamorra wollte unbedingt einen Blick auf die Erinnerungen an den Mann werfen, vor dem über hundert Jahre zuvor das britische Weltreich gezittert hatte. Vor allem interessierte den Parapsychologen natürlich, dass man dem selbst ernannten Messias damals magische Kräfte zugeschrieben hatte…
Die Mahdi-Gedenkstätte erwies sich als würfelförmiges weißes Haus in der Altstadt. Nur wenige Besucher hatten sich in das Museum verirrt. Der arabisch aussehende Kartenverkäufer musterte Nicole und Zamorra kurz und verlangte dann in kehligem Englisch fünf Dollar Eintritt pro Nase.
Entweder rechnete er nicht damit, dass Ausländer einheimische Währung bei sich trugen, oder er ging davon aus, dass sie die Umrechnungskurse ins sudanesische Pfund nicht kannten. Danach entsprachen die geforderten US-Dollars knapp 1000 Pfund. Das Schild mit den Eintrittspreisen wies, recht klein gedruckt, einen wesentlich niedrigeren Pfund-Betrag aus… Zumindest ging Zamorra davon aus, der die arabische Sprache zwar recht gut beherrschte, mit der Schrift aber seine Schwierigkeiten hatte; die Zahlen-Zeichen immerhin hatte das Abendland ja schon vor Ewigkeiten mitsamt der Mathematik von den Arabern übernommen. Woran allerdings kaum ein Mensch, der sie ganz selbstverständlich las und schrieb, dachte…
Zehn Dollar indessen machten Zamorra keinesfalls arm. Er gab dem Mann zwanzig und zauberte damit ein breites, Zahnlücken präsentierendes Grinsen auf das zerfurchte Gesicht; für den Mann war dieser Bakschisch ein enorm hohes Trinkgeld. Dafür öffnete er den beiden Gäste aus Frankreich auch gleich persönlich die Tür.
Unwillkürlich griff Zamorra an sein Amulett, das unter dem einige Knöpfe weit geöffneten Hemd vor seiner Brust hing. Doch Merlins Stern zeigte keine Hinweise auf schwarzmagische Umtriebe an. Falls der Mahdi wirklich mit dämonischen Kräften verbündet gewesen war, konnte man in der Gedenkstätte davon jedenfalls nichts mehr bemerken.
Nicole Duval legte den Kopf in den Nacken. Sie stand direkt vor einem mannshohen Ölgemälde, das den berüchtigten Anführer der Derwisch-Rebellen darstellte.
Auf diesem Bild trug der Mahdi einen blütenweißen Burnus. Die linke Faust hatte er in die Hüfte gestemmt, während die rechte Hand einen riesigen Krummsäbel quer vor der Brust hielt. Der schwarze Bart reichte fast bis zu den Hüften.
Doch am meisten war die Dämonenjägerin fasziniert von den Augen. Der Künstler hatte sie so gemalt, dass sie fast lebendig wirkten.
Machtbewusst. Grausam. Willensstark. Glühend vor Hass.
Nicole stieß langsam die Luft aus.
»Ich kann schon verstehen, dass die selige Queen Victoria seinerzeit unruhige Träume wegen des Mahdi gehabt haben soll…«
Zamorra hörte nur mit halbem Ohr zu.
Auf den ersten Blick gab es keinen Zusammenhang zwischen dem Mahdi-Aufstand und der geheimen Stadt der Riesenamazonen. Schließlich war die versprengte englische Einheit nur durch Zufall von den Derwischen in jene andere Welt gejagt worden, wo die Kriegerinnen sie angegriffen hatten.
Oder…?
Seit kurzer Zeit spürte Zamorra eine Unruhe, die er nicht greifen konnte. Ihm wurde klar, dass ihn nicht nur geschichtliches Interesse in diese Gedenkstätte getrieben hatte. Er hoffte, auch Hinweise auf die Amazonen-Stadt Rasovia zu finden…
Aber vorerst wurden die beiden Besucher aus Frankreich enttäuscht.
In dem kleinen Museum waren hauptsächlich Gegenstände aus der Zeit des Mahdi-Aufstands ausgestellt. Britische Uniformen und arabische Luntenflinten waren ebenso zu sehen wie zeitgenössische Fotos der Oberbefehlshaber.
»General Kitchener«, sagte Nicole und deutete mit dem Zeigefinger auf den abgelichteten Offizier. »Er zog
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