07 - komplett
heiße Getränke geben. Eine wundervolle Vorstellung, dennoch ... „Wenn wir rasten, wird sich ihr Vorsprung sicherlich vergrößern.“
„Bei Nacht können auch sie nicht reisen“, erwiderte Dominick bedächtig. „Mein Cousin mag zwar jung sein und romantische Flausen im Kopf haben, aber ich bin mir sicher, er wird deine Schwester niemals in Gefahr bringen. Ebenso wenig wie ich dich einer Gefahr aussetzen werde. Zudem sollten wir uns umhören, ob sie von jemandem gesehen wurden. Gleich im Morgengrauen brechen wir wieder auf und werden versuchen, bis zum Abend das Anwesen meiner Tante Beatrice zu erreichen.
Vielleicht hat sie etwas von unseren beiden Ausreißern gehört.“
„Tante Beatrice?“, fragte Mary, hoffend, das Gespräch könne sie von der bitteren Kälte ablenken. „Du hast eine Tante?“
Dominick lachte. „So einsiedlerisch lebe ich nun auch wieder nicht, Mary. Selbst ich habe Familie. Unter anderem einen draufgängerischen Cousin ...“
„Ja, das weiß ich. Jeder hat Familie.“ Sie hatte lediglich nie darüber nachgedacht, dass auch er Verwandte und alltägliche Verpflichtungen haben könnte, so wie sie.
Als junges Mädchen hatte er wie ein Märchenprinz auf sie gewirkt, vollkommen und allein in sich selbst ruhend. Nun war sie sich nicht mehr so sicher, was sie von ihm halten sollte. „Erzähl mir von deiner Tante.“
„Sie trägt den Titel Dowager Viscountess Amesby und ist die Witwe meines Onkels.
Tragischerweise hat mich der Tod ihres Gatten und ihres Sohnes zum Erben gemacht.
Mein verstorbener Vater war der jüngere Bruder ihres Gatten.“
„Und wie ist Captain Heelis mit euch verwandt?“
„Er ist der Sohn von meines Vaters jüngerer Schwester Kate. Bedauerlicherweise hatte Tante Kate schon immer einen Hang zur Flatterhaftigkeit. Sie lebt inzwischen in Irland, daher kann sie ihren Sohn momentan nicht selbst zur Vernunft bringen.“
Mary lachte. „Ich freue mich darauf, Lady Amesby kennenzulernen, ganz besonders, wenn es in ihrem Haus zahlreiche Kamine gibt. Tante Hester, die Schwester meines Vaters, versucht stets Geld zu sparen, indem sie lediglich im Salon ein kleines Feuer anfachen lässt und den Kerzenverbrauch streng beschränkt. Ihr gefällt es auch nicht, wenn Kinder lachen oder etwas lauter miteinander sprechen. Sie jagte meinen Schwestern und mir immer gehörig Furcht ein. Wir hielten uns höchst ungern bei ihr auf, aber unser Vater bestand darauf, dass wir sie zumindest einmal im Jahr besuchten.“
„In Tante Beatrices Haus muss man nicht befürchten, zu laut zu sprechen. Sie ist recht schwerhörig. Zu meinem Glück bedeutet dies auch, dass sie taube Ohren für den Tratsch und die Gerüchte über mich hat und mich daher immer noch für einen anständigen Burschen hält.“
Mary kam allmählich zu der Ansicht, dass er so verkommen nicht war, wie man behauptete. Jemand mit kohlschwarzem Herzen würde sich ganz sicher nicht die Mühe machen, sich in einem eisig kalten Winter auf die Suche nach ihrer Schwester zu begeben. Allerdings konnte sie Lady Newcombe nicht vergessen, und auch die blonde Dame im Museum war ihr noch gut in Erinnerung. Dominick, du ungezogener Schlingel ... Die Damen liefen Dominick immer noch in Scharen hinterher, so wie früher. Ihr würde er daher gewiss keinen zweiten Blick schenken.
Sie fröstelte. Dominick bemerkte es, nahm die Zügel in eine Hand, legte seinen Arm um ihre Schultern und zog sie an sich. „Wir halten bald, das verspreche ich dir.“
Mary konnte nicht widerstehen, sie legte den Kopf an seine Schulter, während die Kutsche durch den Wind preschte. „Unter solch ungünstigen Witterungsbedingungen nach einem Gasthaus Ausschau zu halten, passt irgendwie zu Weihnachten, finde ich.“
„Das mag sein“, antwortete er. „Ich könnte mir indes eine schönere Art vorstellen, die Feiertage zu begehen.“
Sie schloss die Augen und genoss seine Wärme, die sie trotz all der Schichten aus Leinen, Wolle und Pelz spürte. „Ich ebenfalls. Als junges Mädchen habe ich mit meinen Schwestern vor Weihnachten Misteln und immergrüne Zweige gesammelt, aus denen wir Kränze und Girlanden für die Kaminsimse und Bilderrahmen gebunden haben. Wir haben alles mit roten und goldenen Schleifen geschmückt, was wir finden konnten. Zwar hatten wir nicht viel Nadelgeld, dennoch haben wir gespart, um Bücher, Zeichenstifte oder Spitzentaschentücher zu kaufen, die wir bis zum Weihnachtstag versteckten und uns dann gegenseitig zum Geschenk
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