07 - komplett
keine ruhige Minute haben.“ Und auch vor Sorge um ihn. „Das hätte ich nicht ertragen. So ist es besser, denn so habe ich das Gefühl, wenigstens ein klein wenig nützlich sein zu können. Außerdem ist dieses Feuer ebenso behaglich.“
Er ließ sie los und blickte in die knisternden Flammen. Inständig wünschte sie, seine Gedanken lesen zu können, denn er schien sehr weit von ihr entfernt.
„Hattest du große Pläne für Weihnachten?“ Sie legte die Füße auf das Kamingitter und wackelte in den Stiefeletten mit den Zehen, die allmählich wieder warm wurden.
„Ein solch feudales Fest mit Gänsebraten, Plumpudding und Tanz hatte ich nicht geplant“, antwortete er. „Mein Freund Lord Archibald gibt am Weihnachtsabend eine Dinnergesellschaft. Möglicherweise hätte ich daran teilgenommen.“
„Ach, tatsächlich?“ Lord Archibald war ein berüchtigter Lebemann. Mary konnte sich gut vorstellen, welche Art von Gesellschaft er ausrichten würde. Ganz gewiss waren dazu auch Damen geladen wie jene im Museum, die nur allzu willig waren, Dominick eine wunderschöne Zeit zu bereiten. Eine Zeit, reich an Vergnügungen, wie sie sie fast schon vergessen hatte.
Als könne er ihre Gedanken lesen, schenkte Dominick ihr ein schiefes Lächeln.
„Möglicherweise wäre ich aber auch einfach zu Hause geblieben und hätte mich weiterhin der Aufgabe gewidmet, die Kisten mit den neuen Büchern auszupacken.“
Es blieb ihr keine Zeit mehr, weitere Fragen zu stellen, denn die Wirtin kehrte zurück, um ihnen das Abendessen zu servieren und das Feuer anzufachen. Mary war völlig erschöpft, als sie sich schließlich nach dem Mahl auf ihre aneinandergrenzenden Zimmer zurückzogen.
Dennoch fand sie keinen Schlaf. Unter dicken Federbetten liegend lauschte sie dem Eisregen, der heftig an die Fensterscheibe prasselte. Im Zimmer nebenan hörte sie Dominick rumoren. Jedes einzelne Geräusch – und sei es noch so leise – nahmen ihre Ohren wahr. Das Plätschern des Wassers, als er sich wusch. Das Knarren der Holzdielen unter seinen Schritten und das Rascheln von Stoff, als er sich zur Nachtruhe fertig machte. Das leise Quietschen der Matratze, als er sich niederlegte.
Fest schloss sie die Augen, aber es half nicht. Vor ihrem inneren Auge sah sie ihn nebenan im Bett liegen – so nah dem ihren – und ebenfalls dem Regen lauschen.
Konnte auch er nicht einschlafen? Woran dachte er?
Und was trug er? Nachthemd und Schlafhaube wie William? Oder ... nichts?
Oh, verflixt! Nun war ein neues Bild von ihm vor ihrem inneren Auge aufgetaucht.
Ein Bild von seinem schlanken, muskulösen, gebräunten Körper, nackt auf den weißen Laken, sein goldblondes Haar zerzaust auf den Kissen. Gewiss hegte sie derlei Gedanken nur, weil die Wirtin sie für seine Gemahlin gehalten hatte. Sicherlich war das der Grund dafür, dass sie sich vorstellte, wie er sie liebkoste, sie küsste.
Sie drehte sich auf die andere Seite und presste das heiße Gesicht in die Kissen.
Verschwindet, befahl sie den Bildern, und allmählich verblassten sie. Indes fand sie noch immer keinen Schlaf.
5. KAPITEL
„Wir sollten bei solchem Wetter nicht unterwegs sein, nicht wahr?“, rief Mary über den heulenden Wind und das laute Prasseln der Hagelkörner auf dem Kutschendach hinweg. Sie konnte kaum die Straße vor sich erkennen und schmiegte sich eng an Dominick. Die Muskeln seines Armes waren angespannt und hart wie Stahl, so fest hielt er die Zügel in seinen Händen.
Bei ihrem Aufbruch war das Wetter noch recht freundlich gewesen. Die Wolken hatten sich gelichtet, und sie hatten an mehreren Gasthäusern und in Dörfern auf ihrem Weg gehalten, um sich nach Ginny und Captain Heelis zu erkundigen.
Zuweilen trafen sie auf Menschen, die die beiden gesehen haben wollten. Dann aber war wie ein Anschlag aus dem Hinterhalt dieser heftige Sturm aufgekommen und behinderte ihre Suche.
„Selbstverständlich sollten wir bei solchem Wetter nicht unterwegs sein“, rief Dominick ihr zu. „Wir sollten gemütlich zu Hause an unserem Kamin sitzen, so wie alle vernünftigen Menschen.“ Er zog heftig die Zügel an, da das verängstigte Pferd von der Straße abzukommen drohte.
Von Gewissensbissen geplagt, nagte Mary an ihrer Lippe. Wären sie und ihre Schwester nicht gewesen, würde sich Dominick nicht in dieser Lage befinden, sondern unbeschwert die Weihnachtsfeiertage genießen. Hätte sie ihn nicht aufgesucht, würde er sich nicht verpflichtet fühlen, sich ihrer Probleme
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